Zaehme mich
meinst, er tut ihr körperlich weh?«
Jamie wusste nicht, wie er das mit Sarahs Blutergüssen erklären sollte. Er hätte sie ausführlich beschreiben können, doch dann würde Shelley natürlich fragen, woher er das so genau wusste, und er konnte ihr wohl kaum erzählen, dass er Sarah heute drei Stunden lang gevögelt hatte und dass er jedes Mal, wenn er kurz vor dem Höhepunkt war, die Stellung gewechselt hatte, um ihre zerschundenen Schenkel sehen zu können. Sarah und Jamie hatten also beide an den Mann gedacht, der ihr das angetan hatte. Doch während sie deswegen nicht kommen konnte, zögerte Jamie damit seinen Orgasmus hinaus.
»Sie hat Blutergüsse«, erklärte er.
»Blutergüsse? Scheiße. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich Sarah so was gefallen lässt. Was sagt sie denn dazu?«
»Sie sagt, dass sie ihn liebt.« Jamie fing an zu weinen.
»Ach, Scheiße.« Shelley küsste ihn auf die Wange, streichelte ihm den Kopf, drückte ihn fest an die Brust.
»Das tut mir Leid, Liebling. Es tut mir Leid. Aber es wird schon wieder gut.«
Jamie wusste, dass es nicht in Ordnung war, sich mit seinem Liebeskummer Trost bei seiner Frau zu suchen.
Aber was war schon in Ordnung?
Nach einer Weile wachte Bianca auf und fing an zu schreien. Zusammen wechselten sie ihre Windeln, und dann setzte sich Shelley aufs Bett, um Bianca zu stillen.
Jamie lag daneben und sah ihnen zu.
»Ich kann es nicht glauben, dass wir sie gemacht haben.« Jamie streichelte das daunige Haar, das sich allmählich auf Biancas immer noch weichem Kopf eingestellt hatte. »Ich kann nicht glauben, dass sie jetzt zu uns gehört.«
»Ich kann es auch nicht glauben. Ich kann nicht glauben, dass ich dieses kleine Mädchen habe, und ich kann nicht glauben, dass ich dich habe. Jeden Tag danke ich Gott für euch beide.«
»Ja, genau. Ich bin ein echter Segen.«
Shelley legte die Hand auf seine, und beide hielten Biancas Kopf. »Ihr beide seid ein Segen.«
Später am Abend erzählte Jamie von Mr. Carr. Nachdem er sich darüber ausgelassen hatte, was das Monster Sarah angetan hatte, machte Shelley für sie beide eine Tasse Tee.
Dann erklärte sie Jamie, warum er das ganz falsch sah.
Erstens konnte man das Geschehene nicht wirklich als sexuellen Missbrauch betrachten. Die vierzehnjährige Sarah war kein unschuldiges Kind. In
Medienwissenschaften lag sie immer allen in den Ohren mit den Kindersklaven in afrikanischen Diamantminen, mit pädophilen Priestern, mit Klitorisbeschneidung bei Kleinkindern in Somalia und tausend anderen Ungerechtigkeiten. Ständig ereiferte sie sich, dass man den Stimmlosen eine Stimme verleihen, die Wehrlosen verteidigen und den Missbrauchten und Unterdrückten ihre Würde zurückgeben musste. Angesichts dieser Denkweise lag es doch auf der Hand, dass Sarah eher dazu tendierte, Männer, die so handelten wie Mr. Carr, bloßzustellen. Mit anderen Worten, wenn sich Mr. Carr an ihr vergriffen oder auch nur seine Machtposition benutzt hatte, um sie gefügig zu machen, hätte sie ihn dann nicht im Namen all der missbrauchten Mädchen, die nicht so stark und tapfer waren wie sie, mit größtem Vergnügen vor Gericht gezerrt?
»Vielleicht hatte sie zu viel Angst.« Jamie merkte selbst, dass er nur blind drauflosredete. »Vielleicht hat er ihr Gewalt angedroht.«
Shelley war nicht überzeugt. Früher ging sie in dieselbe Kirche wie Mr. Carr. Er unterrichtete an der Sonntagsschule und war auch mitverantwortlich für die Jugendgruppe am Freitag. Seine Töchter gaben immer damit an, was für ein Softie ihr Vater war und dass sie sich bei ihm alles erlauben konnten. An der Schule war es das Gleiche. Er erhob nie die Stimme und schlug auch nie auf den Tisch, wenn sich die Klasse danebenbenahm. Und wenn er im Sport die Aufsicht hatte, betonte er immer, dass man fair spielen und Grenzen respektieren musste.
Er war ehrenamtlicher Berater für den Studentennotruf.
Kurz, er war einer der sanftesten, freundlichsten und am wenigsten beängstigenden Männer, die sie je kennen gelernt hatte. »Der ist nicht mehr zu gewalttätigem sexuellem Missbrauch fähig als du«, schloss sie.
Jamie blickte ihr in die Augen. »Vielleicht bin ich dazu fähig. Ist das so unvorstellbar?«
»Ja, das ist es. Du bist fast schon übertrieben sanftmütig. Deswegen liebe ich dich ja auch so.«
Er hielt die bandagierte Hand hoch. »Manchmal bin ich auch nicht so sanftmütig.«
Shelley wandte den Blick ab. »Stimmt, ja. Du hast Recht.« Sie nahm einen Schluck
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