Zaehme mich
Jeans, ein hellblaues Twinset, Turnschuhe. Sie flocht ihr Haar zu einem Zopf und schlang sich ein eigens gekauftes Band darum.
Nebeneinander saßen sie auf einer Bank am Fluss, ohne sich zu berühren. Sarah hatte ihm versprochen, ihm alles zu erzählen, was er wissen wollte. Sie brannte schon darauf, alles loszuwerden, nicht weil sie so gern über ihr jämmerliches Leben redete, sondern weil Daniel sie umso eher berühren würde, je schneller sie diese Sache mit dem Kennenlernen und Auf-den-neuesten-Stand-Kommen hinter sich brachten.
»Mit wie vielen Männern warst du zusammen?«, war seine erste Frage.
»Mit vielen.«
»Sarah, du hast mir versprochen, ehrlich zu sein.«
Sie seufzte. »Bin ich ja. Ich weiß nicht, wie viele.
Hunderte.«
Daniel starrte sie an. Offensichtlich wartete er darauf zu hören, dass sie nur einen Witz gemacht hatte. Sie starrte zurück. Es gab keinen Grund, vor ihm in Scham zu versinken.
»Ich verstehe«, sagte er. »Und wie viele von ihnen hast du geliebt?«
»Keinen.«
Er kniff die Augen zusammen. »Keinen?«
»Nur dich.«
Sein Gesicht wurde weich, und einen Moment lang glaubte sie schon, er würde sie küssen, doch er nickte nur und setzte sein Verhör fort. »Schläfst du zurzeit mit jemandem?«
»Ja, aber nur … nur mit Jamie. Eigentlich ist es sogar ziemlich ernst, und … okay, ich liebe ihn, aber mehr wie einen Freund, nicht so wie bei der großen Liebe. Ich kenne ihn schon ewig und … Es ist kompliziert.«
Daniel schloss die Augen. »Erklär es mir.«
»Er ist mein bester Freund, und ich verdanke ihm praktisch mein Leben. Emily Dickinson hat einmal in einem Brief geschrieben: ›Es war mir Schutz, mit Ihnen zu sprechen.‹ So geht es mir mit Jamie. Aber er hat so eine blöde Gans geschwängert und sie geheiratet, obwohl er mich liebt. Und ich liebe dich. Ich habe ihm von dir erzählt, und er …« Die Erinnerung ließ Sarah erschaudern.
»Er hat es nicht gut aufgenommen.«
»Ich möchte, dass du nicht mehr mit ihm schläfst.«
»Du kannst doch nicht von mir erwarten …«
»Auf Wiedersehen, Sarah.« Daniel stand auf. »Ruf mich an, wenn du bereit bist, diese Sache ernst zu nehmen.«
»Daniel, nein!« Sie zupfte ihn am Arm. »Ich schlafe nicht mehr mit ihm, ich versprech es. Ich wollte dich nicht beleidigen.«
Er setzte sich wieder hin und streifte ihre Hand ab.
»Noch jemand, von dem ich wissen sollte?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Braves Mädchen. Jetzt möchte ich etwas über deine Familie erfahren.«
Sarah presste die Hände zusammen. »Meine Mum ist Ökonomieprofessorin. Mein Dad ist
Versicherungsstatistiker und arbeitet ungefähr fünfhundert Stunden die Woche. Er berechnet die statistische Wahrscheinlichkeit, dass seine Firma keine einzige Schadenforderung begleicht und trotzdem nicht verklagt wird. Meine Schwester Kelly ist drei Jahre älter als ich.
Zuletzt hat sie meines Wissens Jura an der University of New South Wales studiert.«
Sarah zündete sich eine Zigarette an, und Daniel glitt ans Ende der Bank. Wenn er so was machte, hätte sie ihn am liebsten getreten. Nur dass sie ihn sowieso treten wollte, allein schon um ihn zu berühren.
»Ich habe deine Mutter bei einem Elternabend kennen gelernt. Sie war hinreißend wie du, aber auch ziemlich brüsk, ziemlich …«
»Böse?«
Daniel lachte. »So was in der Richtung dachte ich mir damals auch. Ich habe davon geschwärmt, wie fantastisch du bist …«
»Haben wir damals schon gebumst?«
»Nein, wir haben noch nicht gebumst .« Daniel verzog das Gesicht, um seinen Widerwillen kundzutun. Er hatte durchaus nichts gegen schmutzige Ausdrücke, aber billige Wörter, wie er das nannte, konnte er auf den Tod nicht ausstehen. Bumsen, Pimmel, Titten und Möse waren bei ihm tabu. Ficken und Fotze hatten für ihn irgendwie viel mehr Stil. »Aber ich hatte schon eine Schwäche für dich.
Jedenfalls habe ich dich damals vor deiner Mum in den höchsten Tönen gelobt – war vielleicht ein bisschen zu dick aufgetragen.«
»Du hast mich in den höchsten Tönen gelobt?« Sarah trat ihre Zigarette mit dem Fuß aus und glitt hinüber, um ihm wieder nah zu sein.
»Ja, aber sie hat über dich gesprochen, als wärst du das Kind von jemand anderem. Sie hat mir einen Vortrag über Lernstil und geistige Entwicklung gehalten und mir zu verstehen gegeben, dass du zwar einen wachen Verstand hast, ihn aber auf die Lektüre von romantischem Blödsinn verschwendest.«
»Typisch Mum.«
Daniel wandte Sarah den
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