Zaehme mich
Zufall.«
Der Arm um ihre Schultern wurde steif. Es fühlte sich an, als würde es ewig so bleiben. Sarah war so eng an ihn gepresst, dass sie nicht einmal den Kopf drehen konnte, um ihm ins Gesicht zu blicken. Aber sie konnte sich gut vorstellen, dass es genauso erstarrt und hart war wie der Rest von ihm.
»Sarah.« Jamies Bizeps pulsierte an ihrem Hals. »Sag mir bitte, dass das ein Witz ist.«
»Er ist gekommen, um mich zu holen.« Sarah kam sich vor, als hätte sie einen Mund voll Meerwasser geschluckt.
Ihr wurde ganz komisch von dem Salz in Mund und Bauch. Wenn sie nur sein Gesicht sehen könnte. Ihr fiel ein, wie sie sich gefühlt hatte, als ihr Daniel die Fotos gezeigt hatte, zu denen er sich acht Jahre lang einen runtergeholt hatte. War es dieser gruslige arme Perverse wirklich wert, sich mit Jamie zu verkrachen? Aber es spielte gar keine Rolle, ob es das wert war. Es war einfach so.
Jamie entzog ihr seinen Arm. Er trat ans Fenster, und seine Faust schoss nach vorn. Das Glas war alt und dreckig; es zerbrach in tödlich aussehende Scherben, die groß genug waren, um das Herz eines Menschen zu durchstechen. Jamie nahm sein Jackett und wickelte es sich um die blutende Hand. Dann sammelte er Schlüssel und Brieftasche vom Couchtisch auf und ging zur Tür hinaus.
5
Nachdem Jamie Sarahs Fenster zerschlagen hatte, ging er nach Hause und zankte sich mit Shelley. Sie fragte ihn, was er denn zum Teufel mit seiner Hand angestellt hatte, doch obwohl er genau wusste, dass es eine ganz vernünftige Frage war, konnte er ihr keine vernünftige Antwort darauf geben. Stattdessen verbat er sich ihre ständigen Belästigungen. Er hatte es satt, dass sie ihm dauernd auf die Nerven fiel und ihn verdächtigte. Sie waren verheiratet, schön, aber das hieß noch lange nicht, dass er ihr über jede Sekunde seines Tages Rechenschaft ablegen musste. Angriff war die beste Form der Verteidigung.
Shelley wies ihn darauf hin, dass es wohl kaum eine Belästigung war, wenn sie wissen wollte, warum er ihr hier den ganzen Küchenboden voll blutete. Es interessierte sie überhaupt nicht, was er jede Sekunde seines Tages machte, sondern nur, wie er sich diese Verletzung zugezogen hatte. Jamie stürmte fluchend zur Tür hinaus.
Man kann einen Streit nicht gewinnen, wenn man sich im Unrecht weiß. Man kann seiner lieben, mitfühlenden, endlos geduldigen Frau nicht erzählen, dass man sich nur deswegen die Hand blutig geschlagen hat, weil die Frau, die man anbetet, die man schon sein ganzes Leben lang glücklich machen wollte, einen anderen liebt. Wie sollte er Shelley erzählen, dass er am liebsten gestorben wäre, weil Sarah jemand anderen so sehr liebte wie Jamie Sarah?
Und nicht nur irgendjemand anderen. Nicht einfach einen anderen Mann. Sarah liebte einen grausamen, sadistischen, manipulativen Kriminellen. Sarah liebte den Mann, gegen dessen schädlichen Einfluss Jamie die letzten acht Jahre vergeblich angekämpft hatte.
Nach ungefähr einer Stunde kam Shelley zu ihm. Sie setzte sich neben ihn und wickelte den unbeholfenen Verband um seine Hand auf. »Ich glaube, es muss nicht genäht werden.« Mit den Fingerspitzen berührte sie die zackige Linie aus eingetrocknetem Blut. »Es blutet schon nicht mehr.«
»Tut mir Leid wegen vorhin. Ich war bei Sarah.«
»Ich weiß. Sie hat angerufen.«
Seine Bauchmuskeln verkrampften sich. »Was hat sie
…?«
»Sie wollte wissen, ob du gut nach Hause gekommen bist. Sie hat sich Sorgen um dich gemacht.«
Sarah machte sich Sorgen um ihn. Das war doch wenigstens etwas, oder nicht? Nicht viel, sicher, aber immerhin keine Gleichgültigkeit, wie er sie bei ihr vermutet hatte.
»Was ist denn passiert? Sie sagt, ihr habt euch gestritten?«
Gestritten hatten sie sich also. Interessante Sichtweise, wie er fand. Ein Streit. Das hieß also, es hatte eine Meinungsverschiedenheit gegeben, man konnte sich dazu äußern und über eine Lösung nachdenken. Die Bezeichnung Streit machte die Sache kleiner, machte sie zu etwas, das man schon irgendwie klären und in Ordnung bringen konnte. Sarah und Jamie hatten sich doch nur gestritten.
»Kannst du es mir nicht sagen, bitte?«
»Doch, es ist … sie trifft sich mit diesem Typ, und er …
er ist nicht gut für sie.«
»Na und? Sarah ist doch immer mit irgendwelchen Losern zusammen.«
»Diesmal ist es anders.« Jamie war den Tränen nahe.
»Er tut ihr weh.«
»Oh.« Shelley streichelte Jamies Hand und vermied sorgfältig jede Berührung mit dem Riss. »Du
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