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Zärtlichkeit des Lebens

Zärtlichkeit des Lebens

Titel: Zärtlichkeit des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Unterarmtasche.
    »Ich reise mit leichtem Gepäck.« Ob er wohl jemals lächelte?
    Konnte er sie nicht leiden, oder verhielt er sich generell so?
    »Schön. Ich habe veranlaßt, daß man Ihre Koffer ins Hotel schickt. Möchten Sie gleich dorthin oder erst einmal im Büro vorbeischauen?«
    Sarah mißfiel seine Reserviertheit, und sie paßte sich schnell seinem Ton an. »Ich soll wohl sofort an die Arbeit gehen?«
    »Ich dachte, Sie würden vielleicht gern einen Rundgang durch das Gebäude machen.« Byron schien sich durch ihren veränderten Ton nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Als er sie am Ellbogen faßte und sie durch das Terminal zu führen begann, protestierte sie.
    »Erst einmal möchte ich in eine Apotheke und dann will ich eine Tasse Kaffee trinken.« Als sie ins gleißende Sonnenlicht traten, schob sie sich ihre getönte Brille wieder auf die Nase. Ihr dröhnte der Schädel.
    »Warum schauen wir uns nicht gleich ein paar Stockwerke des Firmengebäudes an?« Byron öffnete den Schlag seines hellgrauen Mercedes. Er sprach in ruhigem Ton. Sarah schickte sich zum Einsteigen an, doch dann wandte sie ihm das Gesicht zu, die geöffnete Tür befand sich zwischen ihnen.
    »Wollen Sie mich aus der Fassung bringen?«
    »Warum sollte ich das, Sarah?«
    »Vielleicht entspricht es Ihrem Naturell.« Sie wandte sich ab, doch er packte ihre Hände, die oben auf der Autotür ruhten, mit einer Kraft und Nachdrücklichkeit, die Sarah überraschte.
    »Sie sind sehr jung«, meinte er leise. In diesem Augenblick erkannte sie, wie richtig sie mit ihrer Vermutung gelegen hatte, daß unter seiner Beherrschung Heftigkeit lauerte. »Ich habe nicht viel Erfahrung im Umgang mit Kindern.«
    »Kindern?« Sie atmete ein paarmal tief durch. »Ich bin weder ein Kind, noch will ich eine Sonderbehandlung.«
    »Gut. Wir werden wohl einigermaßen miteinander auskommen.« Byron ließ ihre Hände los, und sie stieg ins Auto ein.
    Nachdem Byron auf seinen Parkplatz in der Tiefgarage gefahren war, blieb er schweigend sitzen. Er wußte, daß Sarah im Schutz des Schlapphuts und der überdimensionierten Sonnenbrille einem Morgennickerchen frönte und studierte ihr Profil, die deutlich gemeißelte Nase und Wangenlinie. Dann kurbelte er das Fenster hoch und zündete sich eine Zigarette an.
    Er würde warten, bis sie aufwachte. Zu den Tugenden, die er sich angeeignet hatte, gehörte auch Geduld.
    Byron Lloyd hatte eine kurze, schwere Kindheit gehabt, war vaterlos in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen. Er hatte zu überleben gelernt, indem er seine Unbeugsamkeit, seinen Verstand und seine Geduld gebrauchte. Geduld aufzubringen war ihm am schwersten gefallen. Er hatte gearbeitet und gebüffelt. Seinetwegen hatten seine Altersgenossen ruhig ihren Widerstand gegen das ausleben dürfen, was sie selbst in einem Jahrzehnt sein würden. Er jedoch wußte von Anfang an, was er wollte. Macht. Byron hatte für seine Stellung bei Haladay Enterprises geschuftet. Und hatte dafür seine Jugend geopfert.
    Mit Hunderten von Leuten stand er auf Du und Du, kannte Tausende noch flüchtiger. Doch er traute nur zwei Menschen vorbehaltlos. Der eine davon hieß Byron Lloyd.
    Er rutschte ein wenig auf seinem Sitz herum und zog genießerisch an seiner Zigarette. An seine Vergangenheit dachte er nicht oft, doch irgend etwas umgab Sarah, das ihn daran erinnerte. Vielleicht weil sie etwas ausstrahlte, was er übersprungen hatte: Jugend, Unschuld. Dennoch sah er in ihr, was er auch in sich selbst gesehen hatte: Ehrgeiz und Hunger nach Macht.
    Einen Moment lang schaute er sich noch einmal ihr Profil an und rief sich seine Gefühle bei ihrer ersten Begegnung ins Gedächtnis zurück. Verlangen. Ein plötzliches, heftiges und unerwartetes Verlangen. Er hatte schon mit bereitwilligen Frauen im Bett gelegen und keine so große Begierde verspürt wie bei jener Begegnung. Mit Dutzenden schöner, einfallsreicher Frauen hatte er schon geschlafen. Seine erste hatte er als Sechzehnjähriger im Fahrerhäuschen eines Haladay-Lasters gehabt. Gestern nacht hatte er auf Seidenlaken mit einer Konzertpianistin mit kundigen Fingern und vollen, milchigweißen Brüsten geschlafen und hatte sein Vergnügen mit ihr gehabt, sie benutzt, ihr Lust bereitet. Sie bedeutete ihm nicht mehr als jenes Mädchen damals, vor langer Zeit, im Fahrerhäuschen des Lasters. Sein ganzes Leben lang hatte Byron nie Gefühl mit Sex verbunden. Das hätte nur zu Verwicklungen geführt, für die er nicht die Zeit hatte. Er

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