Zärtlichkeit des Lebens
wären.«
»Wie schade, daß die Arbeit dir so wichtig ist.« Angesichts ihrer unverblümten Ehrlichkeit runzelte er die Stirn. Eine Strähne fiel ihr in die Augen, und er widerstand dem Impuls, sie ihr aus dem Gesicht zu streichen. »Vielleicht ist es so am besten.
Meiner Meinung nach ist es nicht besonders klug, als Auftakt einer geschäftlichen Verbindung miteinander ins Bett zu gehen.« Er sprach jetzt im Konversationston.
Sarah, die noch immer zitterte, wählte ihre Worte und Stimmlage mit Bedacht. Der Kuß war ihr nähergegangen als jede Liebesnacht, die sie je erlebt hatte. Die Heftigkeit ihres eigenen Verlangens versetzte sie in Erstaunen, aber sie war nicht so töricht, ihre Gedanken preiszugeben und hob die Brauen.
»Mit Sicherheit nicht, Sie haben zweifelsohne recht, andererseits haben Sie damit angefangen.«
»Zugegeben. Sie sind eine schöne Frau und sind sich ihrer Wirkung auf Männer durchaus bewußt.«
»Schon möglich.« Sarah beobachtete, wie er die Stirn in Falten legte, öffnete die Tür und stieg aus. Draußen räkelte sie sich noch einmal, während sie auf Byron wartete.
»Wir fahren mit meinem Privataufzug«, kündigte er an und führte sie zu einer Tür, die zurückglitt, als er einen Schlüssel ins Schlüsselloch steckte.
»Wie praktisch.« Sarah stieg ein und bemerkte mit einem schnellen Blick den dicken roten Teppichboden und die Rauchglaswände. »Die Tür in Ihrem Büro ist mir schon aufgefallen, obwohl sie sehr geschickt in der Wandtäfelung versteckt ist. Wer darf ihn denn sonst noch benutzen?«
»Mr. Haladay.« Byron drückte auf einen Knopf, worauf sich die Türen lautlos schlössen. »Der Aufzug fährt durch mein und sein Büro. Es gibt zwar auf jedem Stockwerk eine Tür, aber man braucht einen Schlüssel, um sie zu öffnen. Er bringt mich auch nach oben ins Penthouse. Ich habe dort eine Wohnung. Das ist praktischer, als jeden Tag hin und her zu fahren.«
»Sind Sie immer so aufs Praktische bedacht, Mr. Lloyd?« Sie lächelte, schüttelte aber den Kopf, bevor er antworten konnte.
»Nein, sagen Sie nichts, das finde ich schon selbst heraus.«
Byron drückte auf einen zweiten Knopf. Der Aufzug setzte sich in Bewegung.
3
Die Aufzugstüren öffneten sich, und als sie aus der Kabine in eine große Halle traten, schob Byron seinen Arm unter den Sarahs.
»Sie möchten bestimmt Cassidy kennenlernen, da Sie unmittelbar mit ihm zusammenarbeiten werden. Ihm untersteht die Architekturabteilung; er ist also Ihr unmittelbarer Vorgesetzter.«
John Cassidy, Rasch spulte Sarah im Geist sechs seiner wichtigsten Bauwerke herunter. Das Gebäude von Pepoles’ Building and Trust in Seattle blieb ihr Favorit, weil es grundlegende Einfachheit und Kraft vereinte. Ja, dachte sie, als sie sich von Byron zu Cassidy führen ließ, ich möchte John Cassidy nur allzu gern kennenlernen.
Am Ende der Halle öffnete sich eine doppelte Glastür bei ihrem Näherkommen, und Sarah riß sich augenblicklich wieder von ihren Gedanken los. In der Mitte eines großen Empfangsbereichs stand ein ausladender Schreibtisch mit drei Telefonen, an dem eine Frau saß. Sie hatte herrlich volles, weißblondes Haar, das in Wellen von dem hageren Gesicht zurückgekämmt war. Typisch neuenglisch, diese Wangenknochen, dachte Sarah und bewunderte sie und den hellschimmernden Teint. Die Frau schenkte ihnen ein glattes Lächeln.
»Guten Tag, Mr. Lloyd.« Sarah hörte Katherine Hepburn in der Frauenstimme anklingen, aber anders als bei der Hepburn funkelte kein flammender Esprit in den Augen dieser Frau.
»Guten Tag, Mrs. Fitzwalter.« Mit einem Nicken blieb Byron vor ihrem Schreibtisch stehen.
Was machst du hier eigentlich? fragte Sarah sich und ließ ihren Blick durch den geschmackvoll eingerichteten, aber absolut unpersönlichen Raum schweifen. Was zum Teufel hast du hier verloren? Die Karriereleiter hinaufklettern, erinnerte sie sich – dabei schwelen die Brücken noch, die ich hinter mir abgebrannt habe.
»Ich würde gern mit Cassidy sprechen, wenn er Zeit für uns hat.«
»Ja, Mr. Lloyd.« Mrs. Fitzwalters Stimme klang geschäftsmäßig kühl. »Er ist in seinem Zimmer. Gehen Sie doch bitte gleich durch; ich sage ihm Bescheid.«
Während sie durch den Raum und durch eine weitere Glastür gingen, wandte sich Sarah an Byron. »Sie ist sehr tüchtig, nicht wahr? Solche Leute erschrecken mich.«
Byron schaute ihr in die grünen Augen. »Das bezweifle ich.«
Sarah grinste. »Vielleicht kommt ›verwirren‹ der
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