Zahn, Timothy - Jagd auf Ikarus
mutete die so eng gebündelte Verkabelung noch chaotischer an, als wenn sie über einen größeren Raum verteilt gewesen wäre. Aber so wirkte der Raum auf jeden Fall bunter; was wohl auch der Grund dafür war, dass ich die Bewegung zu meiner Rechten erst nach ein paar Sekunden bemerkte. Es war Pax – er schien gesund und munter und fühlte sich hier wohl auch ganz wie zu Hause, als er über das Geflecht auf mich zukam und neugierig an allem schnüffelte, was ihm in den Weg kam.
»Hallo, McKell«, rief eine Stimme – so völlig unerwartet, dass ich einen Satz machte. »Sie haben sich aber ganz schön Zeit gelassen, herzukommen.«
Ich schaute in die Richtung, aus der die Stimme ertönt war. Ein Viertel des Umfangs der Sphäre entfernt – wobei sie fast vom grellen Schein eines der Anzeigegeräte überstrahlt wurde – saß eine Gestalt auf dem Geflecht. Sie schaute zu einem der anderen Bildschirme auf und kritzelte wie verrückt auf einem Notepad herum, das sie auf dem Knie balancierte.
Arno Cameron, wer sonst?!
16
Es war eine Situation, die nach einer geistreichen Bemerkung, einem gelungenen Scherz – oder Stillschweigen verlangte. Weil ich im Moment aber weder zu geistreichen Bemerkungen noch zum Scherzen aufgelegt war, hielt ich also den Mund, legte die Plasmawaffe weg und konzentrierte mich stattdessen darauf, den vermutlich ziemlich heiklen Übergang zwischen den zwei Sphären zu bewältigen.
Er gestaltete sich aber nicht annähernd so schwierig, wie ich erwartet hatte. Im Gegensatz zur Sphäre, durch die ich mir auf der Ikarus einen Weg hatte bahnen müssen, war das Schwerefeld dieser kleinen Sphäre zur Oberfläche und nicht etwa zum Zentrum gerichtet. Also verspürte ich außer einer leichten Desorientierung, als ich über die Kante des Zugangslochs kroch, im Grunde keine Beeinträchtigung.
Über der Kletterei und einer kurzen Schlabberattacke eines Kalixiri-Frettchens, das sich offensichtlich darüber freute, ein bekanntes Gesicht zu sehen, verschaffte ich mir einen einminütigen Aufschub, bevor ich etwas sagte. »Na so was«, sagte ich, erhob mich vorsichtig auf dem Geflecht und schaute zu Cameron hinüber. Es sollte lässig und heiter klingen, als ob ich alle naslang solche Aktionen brachte. Stattdessen klang es wie das Stammeln eines Teenagers, der zum ersten Mal den Eltern seiner Freundin gegenübertrat. So viel also zum Zeitschinden.
Aber Cameron lächelte nur, als er das Notepad ausschaltete und es neben sich aufs Geflecht legte. »Ich habe mir noch eine halbe Stunde die Seele aus dem Leib geschrien, nachdem ich hierherkam«, sagte er. »Wenn Sie sich dadurch besser fühlen.«
»Danke, aber es geht mir auch so schon gut genug.« Diesmal brachte ich die Worte schon viel flüssiger heraus. »Im Moment gilt meine Sorge eher meinem Leben, der Freiheit und der Verfolgung durch gierige Patth und ihre rachsüchtigen Freunde.«
Ich schaute mich flüchtig um. »Und ehrlich gesagt habe ich Bedenken, an etwas herumzufummeln, vor dem selbst Arno Cameron eine solche Angst hat.«
»Keine Sorge, es ist nicht so schlimm, wie ich zuerst dachte.« Er hob leicht die Augenbrauen. »Dann wissen Sie also, wer ich bin. Was wissen Sie sonst noch?«
Ich zuckte die Achseln. »Ich weiß, dass unsere angebliche Computerexpertin Tera Ihre Tochter Elaina Tera Cameron ist«, fuhr ich fort. »Kann man sich auf diesem Zeug unbedenklich bewegen?«
»Es ist absolut sicher«, versicherte er mir. »Ich würde es zwar vermeiden, auf die Displays zu treten, aber alles andere ist so fest wie der commark.«
»Die Leitungen können nicht brechen oder sich lockern?«, fragte ich und schaute skeptisch auf das bunte Gewirr unter den Füßen.
»Ich habe viel Zeit gehabt, um sie zu untersuchen«, sagte er. »Vertrauen Sie mir, sie sind genauso robust wie die Installationen auf der Ikarus.«
»Aha«, sagte ich und ging vorsichtig einen Schritt auf ihn zu. »Mit anderen Worten, die ganze übertriebene Vorsicht, mit der ich die Sphäre der Ikarus durchquert hatte, war eine unnötige Anstrengung?«
»Wenn Sie es so sehen wollen«, sagte er mit einem Achselzucken. »Ich persönlich habe es nie so empfunden, dass eine Anstrengung völlig umsonst war.«
»Sicher«, sagte ich. Die Kabel und Leitungsrohre gaben leise quietschende Geräusche von sich, als ich über sie hinwegging, aber davon abgesehen wirkten sie ziemlich tragfähig. Trotzdem wollte ich keine unnötigen Risiken eingehen und ging langsam und vorsichtig weiter. Die
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