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Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)

Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)

Titel: Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Renner
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vertraut. Ich liebe diesen Hunger und gleichzeitig fürchte ich ihn. Er ist so unersättlich und grenzenlos wie der Ozean.
    »Die Letzte, der ich das Lesen beigebracht habe, starb«, sage ich. »Der Erzmagier hat sie getötet.«

20
    I ch bin immer noch eine Gefangene. Diesmal finden sich in meinem Kerker Kerzenlicht und Spiegel, Pergamentrollen und Federkiele, detaillierte Zeichnungen von Apparaturen, Rädern und komplizierten Hebelkonstruktionen … und ein seltsamer Mann. Philip der Künstler ist der sonderbarste Mensch, dem ich je begegnet bin. Seine Intelligenz leuchtet wie Magierlicht hinter seinen hellblauen Augen, aber seine brennende Wissbegierde frisst ihn von innen heraus auf.
    Gerade beugt er sich über eine Zeichnung von einem monströsen mechanischen Bogen, eine Maschine von diabolischer Raffinesse, und mich schaudert angesichts des Grauens, das der menschliche Geist sich auszudenken vermag.
    Philip arbeitet inmitten von Kerzen, die in Haltern mit einem gewölbten Rücken aus versilbertem Glas stecken, der das Licht einfängt und mit doppelter Leuchtkraft auf den Tisch wirft. Es ist eine einfallsreiche Konstruktion, wie alle seine Erfindungen. Einschließlich der, an der er im Momentarbeitet: eine Bogenkonstruktion mit einer Mittelsäule für den Pfeil, die horizontal gehalten wird. Durch eine Rückhaltevorrichtung für die Sehne lässt diese sich deutlich stärker spannen als durch reine Muskelkraft. Ein Pfeil, der von so einem Bogen abgeschossen wird, könnte einen Harnisch durchdringen oder einen Magier aus mehreren Hundert Metern Entfernung in den Rücken treffen.
    Philip schaut auf und streicht sich die Haare aus der Stirn wie immer, wenn er mit irgendetwas an seiner Konstruktion noch nicht wirklich zufrieden ist. Bevor ich den Blick abwenden kann, fängt er den entsetzten Ausdruck auf meinem Gesicht auf.
    »Wie Ihr wisst, befinden wir uns im Krieg.« Sein Lächeln ist sowohl sanftmütig als auch ironisch. »Es gibt keine angenehme Art, einen anderen Menschen zu töten.«
    »Ich weiß«, flüstere ich und zwinge mich, an meine Mutter zu denken, an die ich mich nicht erinnere und die im Kampf für Veränderung ihr Leben ließ. An Swift. An alle versklavten Tribut-Kinder im Palast und in der Stadt, die ich vor Swift nie als Menschen betrachtet habe. An die Kindersoldaten, die jeden Tag am Wall sterben. An die öffentlichen Hinrichtungen von Dieben oder Vieh, bei denen Magier Wetten darauf abschließen, wie lange es dauert, bis der Verurteilte den Tod findet, wenn ihm langsam die Knochen erhitzt werden oder wie bei einer Zwiebel die Haut Schicht für Schicht abgezogen wird.
    Ich hasse meinen Vater. Ich will seinen Tod. Aber die anderen? Muss wirklich jeder Magier sterben? Meine Mutter war nicht kaltherzig und niederträchtig, und sie war nicht die Einzige.
    »In der Bibliothek meines Vaters …«, beginne ich.
    Wie ich es mir gedacht habe, lässt Philip sofort seinen Federkiel sinken und sieht mich erwartungsvoll an. »Fahrt bitte fort«, sagt er und leert den Becher mit süß riechendem Honigwein, der stets neben ihm steht.
    Während ich spreche, fängt er wieder an zu zeichnen. Die Spitze seiner Feder ist aus purem Silber. Sie hinterlässt blasse Linien auf dem Papier, die jedoch in den nächsten Tagen, wenn das Silber anläuft, nachdunkeln und kräftiger hervortreten werden. Ich berühre das Magier-Insigne auf meiner rechten Wange, spüre unter der dicken Salbenschicht die in meine Haut eingelassenen Silberfäden. Es beruhigt mich, das Spiralmuster meiner Mutter – das Symbol ihrer Seele – mit den Fingerspitzen nachzuzeichnen.
    Ich erzähle Philip von den Schriften, die ich in Benedicts Bibliothek gefunden habe: Aufzeichnungen über rebellische Magier, die verbannt oder getötet wurden. Geschichten über die Städte der Erschaffer und den alten Krieg, der dort stattfand. Über die Zeit, als die Magier über alle Länder herrschten. Über den großen Aufstand. Über das Massaker an den Magiern und den Tod der Magie. Über den Wall und den Aufstieg der Erschaffer. Über ihre Höllenmaschinen und Kriegsgeräte. Über die Ausrottung der Maschinenbauer in unserer eigenen Welt.
    Die Kerzen flackern und erlöschen eine nach der anderen. Ich entzünde ein Magierlicht, das über uns leuchtet, während ich weiterspreche. Ich erzähle und er hört bis spät in die Nacht zu. Bis das Morgengrauen die Dunkelheit aus der Stadt über uns vertreibt.
    Hagel. Er prasselt auf das Dach meiner Kammer. Das Trommeln

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