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Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)

Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)

Titel: Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Renner
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aus der dunkel getönten Glaskaraffe, die er in einem abschließbaren Vorratsschrank aufbewahrt. Sechs Tropfen gibt er davon in seinen Becher, und wenn er müde ist oder nicht gut mit seiner Arbeit vorankommt, sind es drei mehr. Mohnblütensaft. Das ist zwar nur geraten, aber eigentlich bin ich mir so gut wie sicher. Etliche Magier sind süchtig danach. Jene, die von den Annehmlichkeiten ihres privilegiertenLebens gelangweilt sind und denen es nicht mehr genügt, Vieh zu foltern, sich den Bauch vollzuschlagen und das Bett mit jemandem zu teilen.
    Nachdem wir in unbehaglichem Schweigen zu Abend gegessen haben, sperre ich den Schrank auf, entnehme der Karaffe sechs Tropfen und verschließe sie anschließend in einer Kapsel kristallisierter Luft. Wie herrlich es ist, endlich wieder Magie zu benutzen!
    Philip sitzt am Tisch und ist in ein Buch vertieft, das die Diebe für ihn gestohlen haben. Ich mache mich daran, die Reste unseres Essens zu versorgen, und muss bei dem Gedanken, dass ausgerechnet Benedicts Tochter für ein Vieh die Aufgaben einer Haussklavin erledigt, verstohlen lächeln. Als ich seinen leeren Teller abräume, lasse ich die Kapsel mit dem Mohnblütensaft in seinen Becher fallen, weiche die kristallisierte Luft auf und vermische den Saft mit dem Honigwein. Philip wird heute Nacht tief und fest schlafen.
    Diesmal wasche ich die Salbe nicht von meinem Gesicht, bevor ich zu Bett gehe, und ich ziehe mir auch nicht mein Nachtgewand an, sondern setze mich in meiner ledernen Diebeskluft hinter dem Vorhang auf die Pritsche und warte, bis das Licht in der Kammer nebenan ausgeht und ich Philips gleichmäßige, schnarchende Atemzüge in der Dunkelheit höre.
    Ich entzünde mein Magierlicht und schicke einen Bewusstseinsfaden in den Korridor hinaus, um nach Halblingen zu suchen. Aber am meisten fürchte ich den Wolfshund. Werde ich ihn fühlen, wenn er dort ist? Es heißt, Diebe könnten sich auf mysteriöse Weise für die Augen und Ohren anderer unsichtbar und unhörbar machen. Ich muss es trotzdemwagen und Floster an ihr Versprechen erinnern, mich als Spionin einzusetzen, und sie davon überzeugen, dass ich viel zu nützlich bin, um mich hier unten in dieser riesigen Grabkammer verrotten zu lassen.
    Lautlos sperre ich die Tür von Hand auf und schlüpfe in den Gang hinaus, dann schließe ich sie wieder, suche mit meinem Geist nach dem kräftigen Eichenriegel, der nur von innen betätigt werden kann, und schiebe ihn mit unsichtbaren Händen aus verdichteter Luft an seinen Platz zurück. Als ich mich dem still daliegenden Tunnellabyrinth zuwende, rechne ich fast damit, dass sich jeden Moment die schlanke Gestalt des Wolfshunds aus der Dunkelheit schält, um mich mit einem verächtlichen Lächeln zur Rede zu stellen. Aber ich bin allein.
    Plötzlich bin ich wie berauscht. Mein Puls rast vor Aufregung, das Herz schlägt mir bis zum Hals und meine Handflächen sind klamm, aber ich würde am liebsten laut auflachen vor Freude. Es ist wie in den Zeiten, als ich durch die Gassen von Asphodel geeilt bin und für die Erkenntnissuchenden spioniert habe. Zum ersten Mal seit Langem fühle ich mich wieder lebendig und frei.
    Philips Unterkunft liegt nur ein paar verwinkelte Gänge von Flosters Kammer entfernt. Ich glaube, den Weg zu kennen, präge mir aber trotzdem jede Abzweigung ein, falls ich mich irren sollte. Ich habe nicht vor, mich in diesen endlosen Tunneln zu verlaufen, die den Toten der Stadt als letzte Ruhestätte dienen. Ihre entlang der Tunnelwände aufgebahrten Gebeine leuchten in meinem Magierlicht unheimlich auf und die Schädel grinsen mich mit gebleckten Zähnen an.
    Ich kann euch nicht helfen, flüstere ich ihnen zu, als ich durch die Gänge eile und versuche, mich genauso lautlos zu bewegen wie Twiss. Ich kann Swift nicht helfen. Wo liegen ihre Gebeine? Der Gedanke versetzt mir einen schmerzhaften Stich.
    Es ist beinahe zu einfach, denn schon im nächsten Augenblick habe ich den langen, gewundenen Tunnel erreicht, der zu Flosters Kammer führt. Dort sollte es eigentlich so dunkel wie im Mutterleib sein, doch als ich um eine Ecke biege, sehe ich den Schein mehrerer Fackeln.
    Erschrocken drücke ich mich hinter einen der morschen Pfeiler aus Eichenholz, die die Decke stützen, lösche mein Magierlicht und lausche mit pochendem Herzen in die Stille. Nichts. Vielleicht brennen in Flosters Gang immer Fackeln. Vielleicht hat die Herrin der Diebe Angst im Dunkeln. Ich presse mir eine Hand auf den Mund, um ein

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