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Zaster und Desaster

Zaster und Desaster

Titel: Zaster und Desaster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Zeyer
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Unruhen auf den Finanzmärkten entstehen könnte. Darauf aufbauend entwickeln wir kommunikative Lösungsvorschläge, unser CEO zählt auf uns. Darf ich also um erste Wortmeldungen bitten?«
    Leise Kau- und Schluckgeräusche erfüllten den Raum, dann ein unterdrückter Rülpser, denn eine der beiden Pfeifen hatte von stillem Wasser auf kohlesäurehaltiges umgestellt. Die beiden Assistenten belauerten sich, bis der eine den Fehler machte, in einen neuen Schnitz Pizza reinzubeißen. »Ich habe zunächst den größten denkbaren Imageschaden definiert«, sagte da der andere, nachdem er seine Zunge aus der Backe geschoben hatte; mit diesem Trick hatte er seinen Konkurrenten um die Stelle des ersten Assistenten ausgebremst. »Der besteht darin, dass man uns als Mitverursacher der Krise sehen könnte, während doch in Wirklichkeit die Banken daran schuld sind.«
    Der andere Assistent hatte inzwischen runtergeschluckt und warf sich in den Kampf: »Also das ist so falsch, da ist ja nicht mal das Gegenteil richtig. Diese unvorhersehbaren Marktverwerfungen können doch gar nicht in Kriterien wie Schuld oder Versagen gemessen werden. Ich bin da von einem proaktiven Lösungsansatz ausgegangen. Wer einen Imageschaden befürchtet, sollte sich ja nicht defensiv verhalten, sondern mit positiven Botschaften sein Image stärken.« Der andere Assistent gab diesen Kampf verloren und biss seinerseits in die Pizza.
    »Sehr gut«, sagte der CCO, »das würde also bedeuten, dass wir hier gar nicht unsere Zeit mit der Definition möglicher Imageschäden verschwenden sollten, sondern die Lösungsstrategie besteht darin, unsere Core Values ins Scheinwerferlicht zu stellen.« Das spart uns gleichzeitig auch einen hübschen Haufen Arbeit, dachte der Vize-CCO, während er seinen leeren Computerbildschirm betrachtete: »Nachdem ich selbst auch in den letzten 90 Minuten eine Liste der etwa zwanzig wichtigsten Schadensfälle aus einem Katalog von ungefähr«, er tat einen Moment so, als ob er eine Excel-Tabelle herunterscrollen würde, »na, rund siebzig herausgeschält habe, kam ich auch zum Schluss, dass man da nicht defensiv reagieren, sondern proaktiv agieren muss.«
    Beide Assistenten stimmten begeistert zu, und auch die beiden Pfeifen machten zustimmende Kaubewegungen. Wenn man ein Problem nur richtig analysiert, kommt man doch eigentlich automatisch auf den Lösungsansatz, dachte der Vize-CCO befriedigt. Vor allem, weil hier im Raum offenbar niemand etwas zum Thema eingefallen ist, welche möglichen Imageschäden uns denn drohen könnten. Jetzt zeige ich den Jungs mal, was ein begabter Kommunikator so alles aus dem Ärmel schütteln kann. Während er weiterhin so tat, als läse er das alles von seinem Bildschirm ab, legte er los: »Tax, Audit und Advisory, das tun wir. Korrekt, kundenorientiert und kompetent, das sind wir. So verwandeln wir Wissen in Wert, schaffen Vertrauen durch Transparenz, ermöglichen eine gesamtheitliche Corporate Governance, zum Nutzen unserer Kunden und der Kapitalmärkte. Wir versorgen die Entscheidungsträger mit den nötigen Analysen, wir sind Dienstleister, Diagnostiker, Schiedsrichter, die die Einhaltung der Regeln überwachen.« Na, das soll mir mal einer nachmachen, dachte der Vize-CCO zufrieden, stand auf und gönnte sich darauf eine echte Coke.
    Aber der erste Assistent hatte die Niederlage nach seinem Frühstart noch nicht ganz verwunden und redete sich nun um Kopf und Kragen: »Das ist eine beeindruckend knappe Definition unserer Core Values«, der Vize-CCO nickte wohlwollend, »aber die transportieren wir doch jetzt schon in unserer gesamten Unternehmenskommunikation nach außen.« Der Vize-CCO hörte auf zu nicken. »Ich sehe da noch nicht ganz, wie wir damit proaktiv nasty questions, Kritiken, Schuldzuweisungen und der Infragestellung unserer Tätigkeit begegnen sollen.«
    »Mal abgesehen davon, dass wir solche Dinge in einem FAQ abhandeln können«, erwiderte der Vize-CCO nicht ohne Schärfe, »hätten Sie da mal ein Beispiel einer nasty question?«
    Aber der Assistent wollte wenigstens mit fliegenden Fahnen untergehen: »Nun, wir machen ja beispielsweise Tax, Advisory und Audit für die EBS. Da könnte doch die Frage gestellt werden, wieso wir Quartal für Quartal Bilanzen testiert haben, die anschließend Makulatur waren. Wieso wir keine steuerlichen Probleme bei Kunden der EBS analysierten. Und wieso Advisory immer den Stempel draufhaute, wenn die EBS mal wieder ankündigte, dass das Schlimmste

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