Zaster und Desaster
Krawatten gelockert, und die ersten Investmentbanker ließen schon ihre grellen Hosenträger schnalzen, von denen sie sich einfach nicht trennen konnten. Kuster hörte das übliche Bankergequatsche, »mal schnell einen over the counter rübergeschoben, als die Kacke um zwei Punkte abschmierte, war ich noch long, das konnte ich aber einem Schlitzauge in Singapur reindrücken, der Markt wurde dann doch noch bullish«. Kuster arbeitete sich an die Bar vor und bestellte ein Dömchen, um mal gleich ein Zeichen zu setzen.
Wie gewünscht erhielt er ein Glas mit dem unverkennbaren Wappenschild von Dom Pérignon drauf, das er wie eine Trophäe auf Brusthöhe hielt. Ein großes Hallo, als Kuster die ersten Ex-Kollegen der Kreditunion erblickte. Nach dem üblichen »Wie läuft’s, super, Riesenchallenge, aber ist Fun, bei mir auch, Family Office ist großartig, habe bereits mehr Familienmitglieder als ein italienischer Clan«, und ein Langweiler fügte hinzu: »Sehe schon deutliche Zeichen des Aufschwungs«, fragte Kuster: »Und wie geht’s wirklich so?«
Ein tiefes Schweigen antwortete ihm, vier Cüpli wurden an den Mund geführt, und auch Kuster nahm einen Schluck, wobei er darauf achtete, dass das Wappen deutlich zu sehen war.
»Eigentlich todverschissen«, sagte der Mutigste, »jeden Monat zischen Milliarden von Kundengeldern ab«, ein Zweiter fügte hinzu: »Ganz abgesehen davon, dass die verbliebenen Portefeuilles im Schnitt 30 Prozent weniger wert sind.«
»Mir hat heute der zehnte Kunde vorgejammert, dass doch alle Fondsmanager und andere Parasiten, wie er sich auszudrücken beliebte, noch nie den Markt geschlagen haben und eigentlich alle aktiv bewirtschafteten Fonds noch schlechter als die Börse abgeschnitten hätten, und wofür er da Gebühren bis zum Abwinken zahlen müsse.«
»Damit hat er ja leider recht«, warf ein Frechdachs ein, und darauf wurden die Cüpli geleert. Kuster winkte nach einem Kellner und bestellte eine neue Runde für alle. »Unerträglich, das Ganze«, sagte ein anderer nach einem weiteren Schluck, »in meiner Tiefgarage wurden schon zum dritten Mal die Reifen meines Porsche aufgeschlitzt, und irgend so ein Bankenhasser hat zudem mit seinem Schlüsselbund oder so die ganze Fahrerseite zerkratzt. Meine Vollkasko will mich beim nächsten Vorfall rausschmeißen, aber die brauche ich, denn die Karre ist natürlich nur geleast. Unvorstellbar.«
Erneutes tiefes Schweigen und einige tiefe Schlucke. »Aber es kommen doch Neueinlagen rein«, fragte Kuster munter.
»Neuanlagen«, schallte es ihm entgegen, »ja woher denn? Die Russkis können sich doch nur noch knapp eine einzige platinblonde Nutte leisten, die Inder rationieren den Curry, die Amis zeigen sich reihenweise selbst beim IRS an und sind pleite, in Dubai stehen alle Kräne still und die Ölscheichs verwenden den Teebeutel zweimal, selbst die Mafia stöhnt über schleppenden Geschäftsgang, und einen afrikanischen Diktator habe ich vor einem halben Jahr das letzte Mal gesehen.«
»Das ist mir eigentlich alles wurst«, fügte der Frechdachs hinzu, »aber weniger Umsatz heißt weniger Bonus, Sparmaßnahmen, das große Rausschmeißen, Business gestrichen, Parkplatz gestrichen, Fringe Benefits gestrichen, Geburtstagssträuße für die Gattinnen von HNWI sollen wir im Großmarkt kaufen, Sprüngli-Truffe sind off limits, telefonieren nach Möglichkeit über Skype, selbst Kaffee und Mineral sind rationiert, unvorstellbar.«
Eine Stunde später wankte Kuster um 550 Franken und einige Illusionen ärmer aus der Bar.
Dreißig
Der Vize-CCO von Elmore, Little and Willis biss in seine Pizza Margherita und spülte das Stück mit einer Coke Zero runter. Schmeckt wie Pappkarton, der auf künstlichem Zuckerwasser runterrutscht, dachte er.
Doch plötzlich stach ihm ein unangenehmer Geruch in die Nase: Eine der beiden Pfeifen hatte doch tatsächlich ein Pizza con cozze bestellt, deren Knoblauchgestank nun den Sitzungsraum erfüllte. Prioritäten setzen, dachte der CCO: »Meine Herren, guten Appetit. Nebenbei, denken Sie doch bitte bei der nächsten Bestellung für einen Power Lunch daran, dass Knoblauch nicht unbedingt die Arbeitsatmosphäre verbessert.«
Die beiden Communication Assistants grinsten zustimmend, während sie in ihre geruchsneutralen Pizzen bissen, und der CCO setzte endlich Prioritäten: »Wir hatten anderthalb Stunden Zeit, ein hierarchisch geordnetes Profil des möglichen Imageschadens zu erstellen, der ELW im Zusammenhang mit den
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