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Zaster und Desaster

Zaster und Desaster

Titel: Zaster und Desaster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Zeyer
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überstanden sei und die Aussichten für das nächste Quartal durchaus rosig und vielversprechend seien.«
    »Weil wir nur die Richtigkeit der Bilanz aufgrund der uns vorliegenden Unterlagen testieren«, erwiderte der Vize-CCO gefährlich leise, »weil wir die EBS steuerlich beraten und nicht ihre Kunden. Und weil wir keine unternehmerischen und auf die Zukunft gerichteten Prognosen abgeben, sondern nur überprüfen, ob sie aufgrund der uns vorliegenden Unterlagen im Rahmen der best practice so gemacht werden können. Aber ich glaube nicht, dass wir hier eine Grundsatzdebatte führen sollten, das bringt uns ja nicht weiter. Nebenbei bemerkt konstatiere ich hier bei Ihnen doch gewisse Lücken im Verständnis unserer Daseinsberechtigung. Das würde nun eher zur Frage führen, ob Sie nicht ein Problem mit der Tätigkeit von ELW haben, was zur Frage führt, ob ELW nicht ein Problem mit Ihrer Mitarbeit hat.«
    »Dieses Problem ist lösbar«, sagte der Assistent mutig, klappte seine Pizzaschachtel zu, stand auf und verließ den Raum.
    »Ein unheimlich schwacher Abgang«, sagte der Vize-CCO kühl in das lastende Schweigen hinein, »der uns aber nicht von der Umsetzung meines Lösungsvorschlags abhalten sollte.«
    Ist gar nicht deiner, dachte der überlebende Assistent, aber er wusste, wann man den Mund halten sollte.

Einunddreißig
    »Das wird ja langsam zur, darf ich sagen unangenehmen Gewohnheit«, eröffnete der Bundesminister das Gespräch und blickte wieder auf das Akkreditierungsschreiben, »Herr Hugentobler. Ich nehme nicht an, dass Sie mir eine Dankesadresse der EBS überbringen wollen?«
    Hugentobler dachte, also meinen Namen könnte er sich ja langsam merken. Leicht beschwingt durch ein, zwei Glas vom Grappa Berta, die er sich unterwegs nach Bern in der gepanzerten Direktionslimousine gegönnt hatte, erwiderte er: »Halten Sie bitte Ihre Brille fest, denn ich habe leider mal wieder bad news.«
    Aber diesmal ließ der Bundeszwerg nicht nur seine Brille fallen, sondern sprang mit überraschender Gelenkigkeit auf seinen Stuhl und lief rot an: »Wir haben Ihre Bank mit der größten Finanzspritze aller Zeiten gerettet. Wir haben Ihrer Bank geholfen, das Schweizer Bankgeheimnis zu knacken und den Amerikanern freiwillig Kundendaten ausgeliefert. Wir haben mit Kriegsnotrecht operiert und alle Rotlichter überfahren, die es in der Schweiz überhaupt gibt. Wir haben zugeschaut, wie sich Ihre Bankspitze nochmals ein paar Milliarden Boni abgegriffen hat, obwohl sie mehrfach die Bank gegen die Wand gefahren hat. Und wir haben jedes Mal zu hören gekriegt, dass nun keine weiteren Leichen mehr im Keller liegen. Wir haben zu hören gekriegt, dass wir Politiker uns aus Bankgeschäften raushalten sollen, das käme dann schon recht«, brüllte er.
    Beeindruckt betrachtete Hugentobler den Balanceakt seines Landesvaters und dachte: Wenn ich das jemandem erzähle, glaubt mir das kein Mensch.
    Der Bundesminister kletterte wieder vom Stuhl, aber nur, damit er jetzt auf seinen Tisch schlagen konnte, während er japste: »Wir mussten uns als Bankenbüttel beschimpfen lassen«, bum, ein dumpfer Schlag, der die Schreibgarnitur, das Telefon und sogar ein paar Aktenberge auf der Tischplatte leicht hüpfen ließ, »wir mussten uns als Totengräber des Schweizer Bundeshaushalts beschimpfen lassen«, bum, »als Helfershelfer durchgedrehter und gieriger Bonibanker«, bum, »als unfähig, inkompetent, kurzsichtig.« Bei diesem Stichwort tauchte der Bundeszwerg kurz unter seinem Schreibtisch weg, während sein persönlicher Assistent der Vorstellung mit offenem Mund zuschaute. Mit der Brille in der Hand kam der Magistrat wieder zum Vorschein: »Und wissen Sie was, Herr, äh, Herr …«
    »Hugentobler«, sagte Hugentobler hilfreich, »Herr Hugentobler, wissen Sie was? Ich glaube langsam, diese Kritiker haben völlig recht. Aber ich sage Ihnen eins, Sie Herr von der EBS, diesmal nicht mit mir, mit mir nicht. Ab jetzt wird hier regiert, nicht mehr reagiert.«
    Erschöpft ließ sich der Bundeszwerg in seinen Schreibtischsessel fallen. Sein persönlicher Assistent klappte den Mund wieder zu, besorgte schnell ein Glas Wasser und öffnete fürsorglich ein Pillendöschen. Schwer atmend nahm der Bundesminister das angebotene Glas Wasser, schluckte zwei Pillen und rutschte bewusstlos aus seinem Stuhl auf den Boden. »Ach herrje«, sagte der Assistent und fühlte hilflos den Puls seines Herrn und Meisters. Dann drückte er auf einen Knopf unter dem

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