Zauber der Begierde
es,
was sie Augenblicke später vorhatte, als sie mit dem silbernen Dolch, den sie
von dem Tisch am Bett genommen hatte, auf ihn zustürzte. Vielleicht hätte
Esmeralda gehen können, ohne einen Racheschwur zu leisten, wenn er überrascht
gewesen wäre. Für einen Augenblick erschrocken. Oder wenn es ihm wenigstens
leid getan hätte.
Doch er zeigte keine
jener Gefühlsregungen. Sein makelloses Gesicht strahlte vor Lachen, als er ihr
mühelos auswich, nach ihrem Arm griff und den Dolch durch das offene Fenster
wirbelte.
Er lachte.
Und sie verfluchte ihn.
Ihn und seine gesamte Nachkommenschaft, in alle Ewigkeit.
Als er sie mit Küssen
zum Schweigen brachte, fluchte sie weiter mit zusammengebissenen Zähnen, selbst
als ihr treuloser Körper vor Hingabe zerfloß. Kein Mann sollte so schön sein.
Kein Mann sollte so unangreifbar sein, und so verdammt furchtlos.
Kein Mann sollte in der
Lage sein, Esmeralda zu verlassen. Er war fertig mit ihr, aber sie war noch
lange nicht fertig mit
ihm. Niemals würde sie mit ihm fertig sein.
»Es war nicht deine Schuld, Hawk«, äußerte sich Grimm.
Sie saßen auf der gepflasterten Terrasse von Dalkeith, tranken Portwein und
rauchten in männlicher Selbstzufriedenheit importierten Tabak.
Sidheach James Lyon
Douglas rieb sich mit makelloser Hand sein makelloses Kinn, leicht verärgert
über den makellosen Ansatz von Bartstoppeln, der sich jedesmal nur wenige
Stunden nach der Rasur zeigte.
»Ich kann es einfach
nicht begreifen, Grimm. Ich dachte, ich hätte ihr Vergnügen bereitet. Weshalb
sollte sie versuchen, mich zu töten?«
Grimm zog eine Augenbraue
hoch. »Was machst du nur mit den Frauen im Bett,
Hawk?«
»Ich gebe ihnen, was sie
wollen. Phantasie. Mein williges Fleisch und Blut, um jede ihrer Launen zu
befriedigen.«
»Und woher kennst du
ihre Launen?« wunderte sich Grimm.
Der Earl of Dalkeith
lachte leise auf. Es war ein ungezwungenes, selbstsicheres Donnergrollen, von
dem er wußte, daß es die Frauen verrückt machte. »Ah, Grimm, du mußt nur mit
deinem ganzen Körper lauschen. Sie sagt es dir mit den Augen, ob sie es weiß
oder nicht. Sie lenkt dich mit ihren leisen Schreien. Fast unmerkliche
Windungen ihres Körpers sagen dir, ob sie dich lieber vor oder hinter ihren
üppigen Kurven hätte. Mit Sanftheit oder mit Kraft; je nachdem, ob es ihr nach
einem zärtlichen Liebhaber gelüstet oder ob sie eine Bestie will. Je nachdem,
ob ihre Lippen geküßt oder wild verschlungen werden wollen. Je nachdem, ob
ihre Brüste...«
»Ich hab' schon verstanden«, unterbrach ihn Grimm und
schluckte. Unruhig rutschte er auf seinem Stuhl hin und her und faltete seine
übereinandergeschlagenen Beine auseinander. Dann schlug er sie wieder
übereinander und zupfte an seinem Kilt herum. Öffnete sie erneut und seufzte.
»Und Esmeralda? Hast du auch ihre Phantasien erraten?«
»Nur zu gut. Unter anderem beinhalteten sie, Lady Hawk
zu werden.«
»Sie hätte wissen müssen, daß es nicht sein kann,
Hawk. Jeder weiß doch, daß du so gut wie verheiratet bist, seit König James
deine Verlobung befohlen hat.«
»So gut wie tot. Und
ich möchte nicht darüber reden.«
»Der Tag rückt näher, Hawk. Du wirst nicht nur darüber
zu reden haben, du wirst etwas unternehmen müssen - wie zum Beispiel, deiner
Braut deine Aufwartung zu machen. Die Zeit wird knapp. Oder ist es dir egal?«
Hawk warf Grimm einen wütenden Blick zu.
»Nur, um sicherzugehen, das ist alles. Es sind kaum
noch vierzehn Tage Zeit, denkst du daran?«
Hawk starrte hinaus in die kristallklare Nacht mit
ihrem glitzernden Sternenmeer. »Wie könnte ich es vergessen?«
»Glaubst du wirklich, daß James seine Drohungen wahr
machen würde, solltest du das Comyn-Mädchen nicht heiraten?«
»Absolut«, sagte Hawk tonlos.
»Ich verstehe nicht, weshalb er dich so sehr haßt.«
Ein sardonisches Lächeln huschte über Hawks Gesicht.
Er wußte, weshalb James ihn haßte. Vor dreißig Jahren hatten Hawks Eltern James
in seinem tiefsten, eitlen Inneren abgrundtief erniedrigt. Da Hawks Vater
verstarb, bevor James sich rächen konnte, hielt sich der König nun an den Hawk
anstelle seines Vaters.
Fünfzehn lange Jahre
hatte James jede Minute in Hawks Leben kontrolliert. Und dann, wenige Tage
bevor sein Dienstschwur ausgelaufen war, hatte James einen Plan ersonnen,
Hawks Zukunft nachhaltig zu beeinträchtigen. Durch den Erlaß des Königs war er
gezwungen, ein Mädchen zu heiraten, das er nicht kannte und das er nicht
wollte;
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