Zauber der Begierde
Sehnsucht, daß sie nicht einmal sicher war, wonach
sie sich sehnte. Aber es hatte ohne jede Frage mit dem Waisenkind zu tun, das
sie gewesen war, und mit der Kälte, in der sie aufgewachsen war - an einem Ort,
der nichts mit diesem bezaubernden Raum gemein hatte; diesem Raum, der Teil
eines bezaubernden Heimes war, in einem bezaubernden Land mit Menschen, die
ihre Kinder mit Liebe überhäuften.
Oh,
an einem solchen Ort Kinder großziehen.
Kinder,
die wissen würden, wer ihr Vater und ihre Mutter waren, anders als Adrienne.
Kinder, die sich nie die Frage zu stellen brauchten, warum sie es nicht wert
waren, behalten zu werden.
Adrienne
rieb sich wild die Augen und wandte sich ab. Es war zuviel für sie.
Und
da stand Lydia. »Lydia!« entfuhr es ihr. Aber natürlich. Warum sollte es sie
überraschen, geradewegs in die Arme der wundervollen Mutter des wundervollen
Mannes zu geraten, der wahrscheinlich diese wundervolle Kinderstube gebaut
hatte?
Lydia
ergriff beruhigend ihre Ellbogen. »Ich bin gekommen, um zu sehen, ob es dir
gutgeht, Adrienne. Ich dachte, es wäre vielleicht verfrüht für dich,
aufzustehen und...«
»Wer
hat diesen Raum geschaffen?« flüsterte Adrienne.
Lydia
senkte den Kopf, und für einen kurzen Augenblick hatte Adrienne das absurde
Gefühl, daß Lydia versuchte, nicht zu lachen. »Der Hawk hat ihn selbst
entworfen und gefertigt«, sagte Lydia und glättete bedachtsam winzige Fält-
chen an ihrem Kleid.
Adrienne
verdrehte die Augen und versuchte ihr Gefühlsbarometer dazu zu überreden,
nicht mehr Verwundbarkeit zu registrieren, sondern auf etwas Sicheres zu
steigen, wie zum Beispiel Wut.
»Wieso,
Adrienne, gefällt er dir nicht?« fragte Lydia unverfänglich.
Adrienne
drehte sich um und überflog den Raum irritiert. Die Kinderstube war hell und
freundlich und atmete die Gefühle ihres Erbauers, die er in seine Schöpfung
hatte einfließen lassen. Sie blickte zurück zu Lydia. »Wann? Vor oder nach
seinem Dienst beim König?« Es war ungeheuer wichtig für sie zu wissen, ob er es
mit siebzehn oder achtzehn gebaut hatte, vielleicht, um seine Mutter zu
erfreuen, oder erst vor kurzem, in der Hoffnung, daß seine Kinder den Raum
einst füllen würden.
»Währenddessen. Der König
entließ ihn für kurze Zeit, als er neunundzwanzig war. Es gab einige
Schwierigkeiten mit den Highlandern zu jener Zeit, und dem Hawk wurde erlaubt
zurückzukehren, um Dalkeith zu befestigen. Nachdem die Fehde beigelegt war,
verbrachte er eine ganze Zeit damit, hier oben zu arbeiten. Er arbeitete wie
ein Besessener, und wirklich, ich hatte keine Ahnung, was er vorhatte. Der Hawk
hatte immer schon mit Holz gearbeitet, irgendwelche Sachen gebaut und
entworfen. Er hat niemandem von uns einen Blick gewährt und kaum darüber
gesprochen. Nachdem er zu James zurückgekehrt war, bin ich hergekommen, um zu
sehen, was er getan hatte.« Lydias Augen verschleierten sich kurz. »Ich werde
dir die Wahrheit sagen, Adrienne, ich mußte weinen. Denn der Raum sagte mir,
daß mein Sohn an Kinder dachte, und wieviel sie ihm bedeuteten. Und es erfüllte
mich mit Staunen, als ich sein Werk vollendet sah. Ich denke, daß es fast jeder
Frau so gehen würde. Männer haben für gewöhnlich nicht einen solchen Blick für
Kinder. Doch Männer wie der Hawk sind selten. Wie sein Vater.«
Du
brauchst ihn mir nicht anzupreisen, dachte Adrienne mürrisch. »Es tut mir leid, Lydia.
Ich bin sehr müde. Ich muß mich hinlegen«, sagte sie steif und wandte sich zur
Tür.
Als sie auf den Korridor trat,
hätte sie schwören können, daß sie Lydia leise lachen hörte.
Hawk fand Grimm im
Arbeitszimmer, auf ihn wartend, wo er durch die offenen Türen auf die Klippen
im Westen blickte. Ihm entging nicht die leichte Weiße von Grimms Fingerknöcheln,
die den Türrahmen umfaßten, und auch nicht sein gespannter Rücken.
»Nun?«
fragte Hawk ungeduldig. Liebend gern wäre er selbst nach Burg Comyn gegangen,
um nach der Vergangenheit seiner Frau zu forschen, aber das hätte bedeutet,
Adrienne allein mit dem verdammten Schmied zurückzulassen. Kein Gedanke.
Genausowenig hätte er sie mit sich nehmen können, also hatte er Grimm
geschickt, um zu enthüllen, was mit Janet Comyn geschehen war.
Grimm
drehte sich langsam um, trat sich einen Stuhl zurecht und setzte sich
schwerfällig vor das Feuer.
Hawk
setzte sich ebenfalls, legte die Füße auf den Schreibtisch, und goß sich und
dem Freund einen Brandy ein. Grimm nahm dankend an.
»Also?
Was hat sie
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