Zauber der Begierde
Dienstmädchen nannten sie eine Hexe, doch das wurde
schleunigst unterbunden. Es scheint, als habe der Gutsherr sie für ein Geschenk
der Götter gehalten. Lady Comyn sagte, sie habe etwas aus der Hand der seltsam
gekleideten Frau fallen sehen und konnte sich trotz ihrer Panik durchringen,
es aufzuheben. Es war die schwarze Dame, die sie mir bei der Hochzeit gegeben
hatte und die ich dir gab, als wir zurückkehrten.«
»Ich
habe mich schon gefragt, warum sie mir die Figur geschickt hat.« Hawk rieb sich
nachdenklich das Kinn.
»Lady
Comyn sagt, daß sie glaubte, sie könne später einmal von Wichtigkeit sein. Sie
sagt, daß sie denkt, die Schachfigur sei verhext.«
»Wenn
dem so ist, könnte sie damit durch die Zeit -«, er brach ab, unfähig, den
Gedanken zu Ende zu denken. Er hatte in seinem Leben viele Wunder gesehen und
gehörte nicht zu denen, die die Möglichkeit von Magie einfach abtaten - welcher
gute Schotte, der im Glauben an Zwerge aufgewachsen war, könnte das schon?
»Aber dennoch...«
»Wie
ist sie durch die Zeit gereist?« griff Grimm seinen Gedanken auf.
Die
beiden Männer blickten sich an.
Hawk
schüttelte den Kopf. »Glaubst du, daß...«
»Glaubst
du?«
Sie
sahen sich an. Sie blickten ins Feuer.
»Nein«,
sagten sie gleichzeitig voller Hohn und studierten aufmerksam die Flammen.
»Trotz
allem ist, sie schon ziemlich außergewöhnlich, oder?« sagte Grimm schließlich.
»Ich meine, sie ist unnatürlich strahlend. Schön. Und geistreich, aah, die
Geschichten, die sie mir auf dem Weg von Burg Comyn hierher erzählt hat. Sie
ist stark für eine Frau. Und sie hat merkwürdige Ausdrucksweisen. Manchmal -
ich weiß nicht, ob du es bemerkt hast - scheint sich ihr Akzent zu verändern.«
Hawk
schnaubte vernehmlich. Er hatte es bemerkt. Ihr Akzent war tatsächlich
verschwunden gewesen, als sie vergiftet daniederlag, und sie hatte mit einem
seltsam fremden Akzent gesprochen, den er niemals zuvor gehört hatte.
Grimm
fuhr fort, fast sprach er zu sich selbst: »Eine solche Frau könnte einen Mann
-«, er brach ab und sah den Hawk durchdringend an. Er räusperte sich. »Lady
Comyn weiß, wer ihre Tochter war, Hawk. War, ist hier das entscheidende Wort. Einige der
Dienstmädchen bestätigen Lydias Geschichte, daß die wahre Janet tot ist. Es
geht das Gerücht, sie sei durch die Hand ihres Vaters gestorben. Er mußte
irgend- wen mit dir verheiraten. Lady Comyn sagt, daß ihrem Clan niemals ein
Wort von der Wahrheit über die Lippen kommen wird.«
»Das
glaube ich gern«, schnaubte Hawk. »Wenn irgend etwas davon wahr ist, und ich
sage nicht, daß es so ist, weiß der Comyn, daß James uns beide dafür vernichten
würde.« Der Hawk erwog diesen Gedanken einen bitteren Augenblick lang und
verwarf ihn dann als unnötige Sorge. Der Comyn würde Stein und Bein schwören,
daß Adrienne Janet sei, und ebenso jeder Mann vom Clan der Douglas, sollte
irgend etwas von diesem Gerücht bis zum König nach Edinburgh vordringen, denn
die Existenz beider Clans hing davon ab. Zumindest in diesem Punkt konnte der
Hawk sich auf die Loyalität des selbstsüchtigen Comyn verlassen.
»Was
hatte der Burgherr selbst zu sagen, Grimm?«
»Nicht
ein Wort. Er wollte weder bestätigen noch leugnen, daß sie seine Tochter ist.
Aber ich habe mit Comyns Priester gesprochen, der mir die gleiche Geschichte
wie Lady Comyn erzählt hat. Übrigens entzündete er gerade die dicken, weißen
Gebetskerzen für die Seele der verstorbenen Janet«, fügte er grimmig hinzu.
»Sollte es also doch Selbsttäuschungen auf Burg Comyn geben, so gibt es sie
zuhauf, und sie stimmen in allen Einzelheiten überein, mein Freund.«
Der Hawk begab sich
unverzüglich an seinen Schreibtisch. Er öffnete ein geschnitztes Holzkästchen
und entnahm die Schachfigur. Er drehte sie zwischen den Fingern und betrachtete
sie aufmerksam.
Als er seine Augen wieder hob,
waren sie schwärzer als die Nacht, tiefer als ein See, und genauso
unergründlich.
»Lady Comyn glaubt, dies hat
sie hierhergebracht?«
Grimm nickte.
»Dann könnte diese Figur sie
wieder fortbringen?«
Grimm zuckte mit den Schultern.
»Lady Comyn sagte, daß Adrienne sich nicht daran zu erinnern schien. Hat sie
sie dir gegenüber je erwähnt?«
Hawk schüttelte den Kopf und
blickte nachdenklich, erst auf die schwarze Dame, dann in sein hell loderndes
Kaminfeuer.
Grimm sah Hawk in die Augen,
und Hawk wußte, daß es niemals einen Vorwurf oder auch nur die leiseste
Bemerkung geben würde, sollte
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