Zauber der Leidenschaft
trug Gummistiefel, die er in regelmäßigen Abständen draußen leeren würde, wie es der Anstand gebot.
Als er sich zu Rydstrom an den Tisch setzte, war ein schmatzendes Geräusch zu hören. »Mein Herr und Meister ist auf der Suche nach einem Preis, der so selten ist, dass man ihn legendär nennen könnte«, begann er ohne Vorrede. »Im Austausch bietet er etwas ebenso Fantastisches an.« Er wechselte in die Dämonensprache. »Was würdest du für eine Waffe tun, die den Unsterblichen garantiert tötet?«
Burg Tornin
Königreich von Rothkalina
Als ein abgetrennter Kopf blutend die Stufen vor Omorts Thron bis auf den schwarzen Läufer davor herunterpurzelte, wich Sabine ihm beiläufig aus und setzte ihren Weg fort. Der Kopf gehörte Orakel dreihundertsechsundfünfzig – das war die Anzahl von Hellseherinnen, die dieses Amt bekleidet hatten, seit Sabine nach Tornin gekommen war.
Ihr stieg der widerliche Geruch von Blut in die Nase, während hirnlose Wiedergänger ohne Verstand oder eigene Gedanken den kopflosen Körper beseitigten.
Omort, ihr Halbbruder und König der Ebene von Rothkalina, wischte sich die blutverschmierten Hände ab, was bedeutete, dass er dem Orakel höchstpersönlich in einem Wutanfall den Kopf abgerissen hatte, zweifellos ungehalten über etwas, das es ihm geweissagt hatte.
Stolz und hoch aufgerichtet stand er vor seinem kunstvoll verzierten goldenen Thron. Seine linke Schulter bedeckte ein Schutzpanzer, während er auf der rechten einen schneidigen Umhang trug. An seiner Hüfte hing eine Schwertscheide, und auf seinem hellen Haar saß die kunstvolle Kopfbedeckung, die sowohl als Krone als auch als Helm diente. Er wirkte charmant und kultiviert und absolut unfähig, einer Frau den Kopf abzureißen.
Omort hatte so viele Kräfte geraubt – Pyrokinese, Levitation, Teleportation –, allesamt seinen anderen Halbgeschwistern gestohlen, bevor er sie umgebracht hatte. Nur eines konnte er nicht: in die Zukunft sehen. Diese Unfähigkeit versetzte ihn oft in rasende Wut.
»Willst du was dazu sagen, Sabine? Wirst du etwa weich?«
Sie war die Einzige, die ihm in irgendeiner Weise die Stirn zu bieten wagte, und die anderen Geschöpfe bei Hofe wurden mucksmäuschenstill. An den Seiten des Raumes und in den Gängen wimmelte es nur so von Mitgliedern der zahlreichen Faktionen, die sich mit dem Pravus , Omorts neuer Armee, verbündet hatten. Zu ihnen zählten die Zentauren, die Invidia – weibliche Verkörperungen der Zwietracht –, Oger, bösartige Phantome, gefallene Vampire, Feuerdämonen mit glühenden Handflächen … viel mehr Wesen, als man aufzählen könnte. Und fast jedes von ihnen würde sie am liebsten tot sehen.
»Es ist heutzutage aber auch wirklich nicht einfach, gutes Personal zu finden«, seufzte sie. Niemand konnte von Sabine erwarten, für andere Mitgefühl zu entwickeln. Dafür hatte sie sich schon zu oft aus einer Lache ihres eigenen Blutes hochgerappelt. »Und das ist eine Schande, Bruder, weil wir ohne sie so gut wie blind sind.«
»Sorge dich nicht, ich werde umgehend eine andere Seherin finden.«
»Ich wünsche dir bei deinem Vorhaben alles Glück der Erde.« Wahrsagerinnen wuchsen nicht gerade auf Bäumen, und der Vorrat an Bewerberinnen war nahezu erschöpft. »Hast du mich wegen dieser Enthauptung zu dir gerufen?«, fragte Sabine gelangweilt, während sie sich umblickte und es dabei vermied, den geheimnisvollen Seelenbrunnen in der Mitte anzusehen.
Sie konzentrierte sich vollkommen auf andere Details des opulenten Thronsaals, den ihr Bruder drastisch verändert hatte, seit er den großen Rydstrom entmachtet hatte. Er hatte den nüchternen Thron des Dämons durch einen aus hell strahlendem Gold ersetzt. An diesem Abend verunzierten Blutspritzer aus der Schlagader des Orakels das gleißende Metall.
Nichts Neues …
An den Wänden hatte Omort seine Farben und seine Banner aufgehängt, die sein Symboltier zeigten: einen Ouroboros, eine Schlange, die sich in ihren eigenen Schwanz beißt und Unsterblichkeit symbolisiert. Was zuvor einfach gehalten gewesen war, hatte er verschwenderisch ausgestattet. Dennoch passte dieser Ort nicht zu dem äußerlich so kultivierten Omort.
Einer Legende zufolge war die vormittelalterliche Burg Tornin von göttlicher Hand geschaffen worden, um den Brunnen zu beschützen, mit einem zentralen Burghof und von sechs kühnen Türmen umgeben. Auch wenn die Steine, aus der die Festung gebaut war, nur grob behauen waren, passten sie perfekt
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