Zauber der Versuchung: Roman (German Edition)
Ehefrau, ein schlechter Mensch. Ich glaubte, ich wäre irgendwie nicht... genug , nicht gut genug für ihn gewesen, und trieb ihn dadurch in den Tod.« Eine ganze Weile blieb sie stumm. »Und all die Jahre erlaubte ich mir nicht, etwas für jemanden zu empfinden. Folglich beschränkte ich mich auf zeitlich begrenzte, frivole Männerbeziehungen.« Sie blickte auf und sah ihn wieder an. »Bis heute.«
Sein Herzschlag beschleunigte. »Aha?«
»Ich dachte immer, ich würde den Rest meines Lebens allein verbringen, ohne Familie, ohne Zuneigung, als eine Art Buße, die ich zu leisten hatte. Und jetzt...«
»Jetzt?« Er hielt den Atem an.
»Jetzt stelle ich fest, dass ich keinen einzigen Tag, keine einzige Stunde mehr«, ihre Stimme versagte beinahe, »ohne dich leben will.«
Er starrte sie stumm an. Seine Gedanken und Gefühle überschlugen sich, und ihm fehlten die Worte.
»Also?«, fragte sie nervös. »Sag etwas. Irgendetwas. Sag mir, dass deine Tante recht hatte und du mich liebst, oder dass sie recht hatte und ich die Falsche für dich bin. Sag mir, dass ich ein fürchterlicher Mensch bin und du mich niemals lieben könntest, oder dass ich weggehen sollte, oder... oder irgendetwas! Gideon, ich biete dir mein Herz, und wenn du es nicht willst, dann muss ich...«
»Judith«, sagte er langsam. »Erinnerst du dich an den Ball von Lady Dinsmore, als du ihre Großmutter sahst und sagtest, wie wundervoll es sein muss, ein hohes Alter zu erreichen«, unbewusst bewegte er sich auf sie zu, »und von der Familie und Menschen, die dich lieben, umgeben zu sein?«
Sie schluckte. »Ja.«
»Menschen, die dich vermissen, wenn du nicht mehr bist?«
Sie nickte.
»Am Ende deiner Tage, Judith, wirst du vermisst werden.«
Ein seltsam klingendes Schluchzen entwand sich ihrer Kehle, als er sie in die Arme nahm.
»Du wirst von einem Ehemann vermisst werden, der dich für den Rest seines Lebens liebt. Und sollten wir das Glück haben, Kinder zu bekommen, wirst du auch von deinen Kindern und deinen Kindeskindern vermisst werden.«
»Gideon«, schluchzte sie. »Ich liebe dich.«
»Und ich liebe dich. Wenn du Orchideen im Urwald suchen willst oder dich in der Sonne Südspaniens räkeln, wirst du es nicht ohne mich tun.« Er blickte ihr in die tiefblauen Augen und erkannte darin Liebe, Freude und alles anderes, was er sich je gewünscht hatte, wenngleich er erst wusste, dass er es sich wünschte, seit er sie kannte. »Und ich verspreche dir, dass jeder Tag ein Abenteuer wird.«
Seine Lippen begegneten ihren. Für einen langen Moment klammerte sie sich an ihn. Er hielt sie fest und erkannte so sicher, wie er sich niemals einer Sache gewiss gewesen war, dass dies, dass sie war, worauf er sein ganzes Leben gewartet hatte. Und ob er es zugab oder nicht, er hatte es bereits in dem Moment gewusst, als sich ihre Blicke erstmals begegneten. In jenem Moment schon war der Blitz eingeschlagen und hatte sie für immer miteinander verbunden. Le coup de foudre .
Er hob den Kopf und lächelte.
»Und manchmal, meine liebe Judith, diesmal , leuchtet das Licht für immer.«
Epilog
»Wo sind sie noch mal?«, fragte Sinclair, der gelassen sein Brandy-Glas schwenkte.
»Im Süden irgendwo, glaube ich«, murmelte Cavendish. »Südamerika?«
»Nein, Südspanien.« Oliver winkte dem Kellner zu und war, wie so oft während der letzten drei Wochen, dankbar, dass er es immer noch konnte.
Innerhalb der Clubhierarchie hatte es einige Diskussionen gegeben, ob Warton, und mit ihm Oliver und Cavendish als seine engeren Freunde, gestattet würde, weiterhin Mitglied zu bleiben. Sinclair war in seiner Eigenschaft als Amerikaner ohnehin kein Mitglied im technischen Sinne, genoss allerdings dank der Fürsprache der anderen alle Privilegien einer Mitgliedschaft. Warton hatte sich vielmals entschuldigt und geschworen, dass seine Tante nie wieder einen Fuß in den Club setzen würde. Zwar fragten sich alle insgeheim, wie irgendjemand das verhindern wollte, sollte sie es sich in den Kopf setzen, aber Wartons nicht unerheblicher Beitrag zum Renovierungsfonds des Clubs hielt sie allesamt davon ab, ihre Bedenken laut kundzutun. Und so war nun alles wieder wie immer.
Nun, nicht ganz wie immer, denn sie waren nur noch zu dritt.
Sinclair runzelte die Stirn. »Ich dachte, sie wollten nach Südamerika?«
»Lady Chester, oder vielmehr jetzt Lady Warton, hatte offensichtlich vorgehabt, nach Paris zu reisen und von dort nach Kolumbien, um nach Orchideen zu suchen«,
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