Zauber des Orients
unglaublich, dass sie hier gelandet war. Da stand sie, an der Seite des wichtigsten Mannes des Landes, in einem wahr gewordenen Architekturtraum.
Forschend sah Raffa sie an. „Was halten Sie davon?“
Riesige Fenster, die vom Boden bis zur Decke reichten, ließen das Licht hereinfluten und boten einen atemberaubenden Blick auf den Hafen. Sie wandte sich ihm zu. Im hellen Sonnenschein wirkte Raffa wie ein Wüstenkrieger, ein König in seinem goldenen Reich.
War hier wirklich alles aus Gold?
„Etwas kitschig, finden Sie nicht?“, fragte er.
Casey blickte sich genauer um. „Ich finde es sehr eindrucksvoll.“ Im Bauhausstil wäre dieses Apartment kein Märchen. So viel unermesslichen Luxus hatte sie noch nie erlebt –, diese Umgebung passte zu ihrem Wüstenprinz.
„Vergessen Sie nicht, dass es ein Hotelzimmer ist, nicht mein Zuhause“, bemerkte er trocken.
Hotelzimmer? Ach ja. Sie stammten wirklich aus zwei verschiedenen Welten! Hotelzimmer in Caseys Welt waren mit Bett, Stuhl und Kunststoffschreibtisch ausgestattet.
„Beschreiben Sie mir in einem Satz, was Sie hier sehen“, forderte Raffa sie auf.
„Eine vergoldete Märchenkulisse für einen König.“
„Bravo!“ Er lachte, sodass seine weißen Zähne aufblitzten.
Klopfenden Herzens blickte Casey in die Runde … venezianisches Glas, italienisches Leder, gläserne Fensterwände, hinter denen sich in der Ferne der Jachthafen und das türkisfarbene Meer abzeichneten, kostbare Gemälde in flammenden Farben …
Langsam schlenderte Casey durch den Raum, um die Kunstwerke aus dem frühen zwanzigsten Jahrhundert näher zu begutachten.
„Gefallen Sie Ihnen?“, fragte Raffa, als sie fasziniert vor einem Matisse stehen blieb.
„Sie sind wunderbar, die Farben so unglaublich lebendig …“
„Freut mich, dass sie Ihnen gefallen. Welches Werk mögen Sie besonders?“
Die Gruppe junger nackter Leute, die Hand in Hand sorglos um einen Grashügel tanzt …
„Den Ort mit der Landschaft …“
„Ach der Blick auf Collioure …“
„Ja“, log Casey.
Raffa war ihrem Blick gefolgt, ihm war anzumerken, dass er ihr nicht glaubte. Sie hatte gelogen, weil sie nicht wagte, sich zu dem sexuellen Motiv zu bekennen. Glücklicherweise schien das kein Entscheidungsmerkmal für ihren Posten zu sein.
In sicherer Entfernung saßen sie einander auf Sofas gegenüber und stärkten sich mit pikanten und süßen japanischen Köstlichkeiten, zu denen frisch gepresster Mangosaft mit Mineralwasser und Eiswürfeln serviert wurde.
„Ich möchte Ihnen etwas vorschlagen“, begann Raffa unvermittelt. „Und ich wäre Ihnen böse, wenn Sie ablehnen würden.“ Er stand vom Sofa auf und kam zu ihr herüber.
Was würde jetzt kommen? Ihr Mund fühlte sich trocken an, langsam erhob sie sich ebenfalls.
„Ich weiß, dass Sie in Gelddingen schwierig sind …“
„Ich bin nicht schwierig“, verteidigte sie sich.
Er lächelte. „Gut, dann ‚halsstarrig‘.“
„Auch nicht!“ Wenn es darauf ankam, konnte sie störrisch sein wie ein Maulesel, aber ihr würde nicht im Traum einfallen, es zuzugeben.
„Schön. Wenn Sie so unkompliziert sind, setzen Sie sich und entspannen Sie sich, dann sage ich Ihnen, was ich vorhabe.“
Eine von Raffas gefährlichsten Waffen war seine Brieftasche.
„Sie haben Geld bei sich?“
„Natürlich. Wir leben schließlich im einundzwanzigsten Jahrhundert.“
„Und was soll ich damit?“ Argwöhnisch blickte sie auf die Kreditkarte, die er ihr hinhielt.
„Haben Sie ein Ballkleid für die Gala, Cinderella?“
Verständnislos sah sie ihn an. „Cinderella?“
Es machte Raffa Spaß, sie zu ködern. Gespielt nachgiebig hob er die Hände. „Ich werde mich anders ausdrücken. Sie halten mich doch hoffentlich nicht für einen knickrigen Arbeitgeber, der erwartet, dass Sie das Ballkleid selbst bezahlen, das Sie bei der Auktion tragen müssen? Betrachten Sie es als Arbeitskleidung, wenn Sie das besser mit Ihrem Gewissen vereinbaren können“, schlug er ihr umgänglich vor. „Es sei denn, Sie hätten in Ihrem Rucksack eine Abendrobe verstaut, von der ich nichts weiß.“
„Ein Couturemodell?“, fragte Casey herausfordernd.
„Von mir aus –, solange Sie auf der Auktion nicht in Jeans und Flip-Flops erscheinen.“
„Oder im Safarianzug?“
Wie alte Freunde, die es gewöhnt waren, einander aufzuziehen, blickten sie sich an.
„Damit können Sie alles und überall einkaufen.“ Raffa reichte ihr seine goldene Kreditkarte. „Auf meine
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