Zauber-Schloss
Vergnügungsgelüsten zu dienen. Es war merkwürdig, daß Crombie eine von ihnen geheiratet hatte. Aber er hatte unter einem Heiratsomen gestanden, und man sagte, daß Juwel eine ganz besondere Nymphe sei, die ungewöhnlich klug war und eine ganz besondere Aufgabe habe. Dor hatte seinen Vater einmal wegen Juwel ausfragen wollen, doch Bink hatte nur ausweichend geantwortet. Das war auch mit ein Grund, weshalb Dor seinen Vater nicht wegen Millie befragen wollte. Millie war manchmal sehr nymphenhaft, und ausweichende Antworten waren sehr beunruhigend. War da vielleicht etwas gewesen, zwischen –? Nein, unmöglich. Solche Informationen konnte man unbelebten Objekten außerdem nicht entlocken, da sie die Gefühle der Lebenden nicht verstanden. Sie waren völlig objektiv. Meistens.
»Nehmt euch vor den Grabenungeheuern in acht!« warnte Crombie sie pflichtbewußt. »Sie sind nicht gezähmt.« Dann senkten sich seine Augenlider wieder. Er war wieder eingeschlafen.
»Ich würde mir zu gern einmal in einem magischen Spiegel ansehen, wie er seinen Mann steht«, bemerkte Grundy. »Aber das Glas würde bestimmt davon Sprünge kriegen.«
Sie schritten auf den Palast zu. Plötzlich stellte sich ein dreiköpfiger Wolf vor ihnen in den Weg und knurrte bösartig. Dor blieb stehen. »Ist der echt?« fragte er den Boden murmelnd.
»Nein«, antwortete der Boden leise.
Erleichtert schritt Dor auf den Wolf zu – und durch ihn hindurch. Das Ungeheuer war eine bloße Illusion, ein Machwerk der Königin. Sie hatte etwas gegen seine Gegenwart, und ihre Trugbilder wirkten so echt, daß man sie von wirklichen Wesen und Gegenständen nur dadurch unterscheiden konnte, daß man sie berührte. Aber das war wiederum nicht eben ungefährlich, wenn es sich mal nicht um eine Illusion handelte. Doch seine Magie hatte die ihre unwirksam gemacht, wie das meistens der Fall war. Lange konnte sie ihn nie täuschen. »Zauberinnen sollten sich nicht mit Magiern messen wollen«, sagte Grundy herablassend, und der Wolf knurrte zornig, bevor er verschwand.
Statt dessen erschien nun ein Abbild der Königin selbst, in vollem Ornat mit Robe und Krone. Wenn Gäste da waren, verschönte sie immer ihr Aussehen. In Wirklichkeit war sie etwas plump und untersetzt. »Mein Mann ist zur Zeit beschäftigt«, sagte sie mit übertriebener Förmlichkeit. »Seid so gut, oben im Salon zu warten.« Dann fügte sie leise hinzu: »Am besten, ihr wartet im Schloßgraben!«
Die Königin machte keinen Hehl aus ihrer Abneigung gegen Dor, aber sie würde es nicht wagen, gegen die Interessen des Königs zu verstoßen. Sie würde Dor Bescheid geben, wenn der König frei war. »Danke, Euer Hoheit«, erwiderte Dor genauso förmlich und begab sich in den Salon.
Im Salon hing ein riesiger Wandteppich. Früher war das einmal ein Schlafgemach gewesen. Dors Vater hatte erzählt, daß er darin geschlafen hatte, bevor Schloß Roogna renoviert worden war. Dor selbst hatte ebenfalls einmal darin geschlafen, als er noch wesentlich jünger gewesen war. Er erinnerte sich noch daran, wie sehr ihn dieser Wandbehang fasziniert hatte. Inzwischen hatte man das Bett durch ein Sofa ersetzt, doch der Gobelin war noch genauso interessant wie früher.
Es waren Szenen aus der Vergangenheit von Schloß Roogna darauf gestickt und gewoben, aus der Zeit vor achthundert Jahren. Auf einem Teil war das Schloß zu sehen, wie es von einer Herde Zentauren gebaut wurde; dann gab es auch Bilder aus der tiefen Wildnis Xanths: der schreckliche Spaltendrache, Dörfer, die von Pfahlzäunen geschützt wurden – solche Umfriedungen gab es heutzutage nicht mehr – und andere Schlösser. Damals gab es viel mehr Schlösser als heute.
Je länger Dor hineinblickte, um so mehr sah er auch, denn die Figuren bewegten sich, wenn man ihnen zusah. Da alles mehr oder weniger in echten Proportionen abgebildet war, waren die Menschen recht winzig; er hätte sie mit der Spitze seines kleinen Fingers zudecken können. Doch alle Einzelheiten wirkten echt. Wenn man lange genug zusah, dann konnte man das ganze Leben dieser Leute mitbekommen. Natürlich lebten sie ihr Leben im gleichen Tempo wie alle anderen auch, deshalb hatte Dor noch nie ein ganzes Leben beobachten können. Bis das soweit war, würde er ein alter Mann sein. Außerdem mußte der Vorgang natürlich auch eine vernünftige Begrenzung haben, denn sonst wäre der Wandteppich schon längst bei der Gegenwart angelangt. Diese Magie hatte also auch Gesetze, über die sich Dor
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