Zauber-Schloss
sondern Grundy!
»Du bist der Thronfolger Xanths. Mach dir wegen meiner Tochter keine Sorgen. Sie ist keine Magierin und kann das Amt nicht übernehmen, es sei denn, es steht kein Magier zur Verfügung. Und auch dann geht das nur als Übergangslösung, bis ein Magier erscheint. Damit wird die Kontinuität der Regierung gewahrt. Sollte ich im Laufe des kommenden Jahrzehnts von der Bildfläche verschwinden, dann wirst du die Geschäfte übernehmen müssen. Da ist es besser, wenn du schon darauf vorbereitet bist.«
Plötzlich wirkte die ganze Gegenwart geradezu erdrückend wirklich. »Aber ich kann doch nicht… ich bin doch nicht…«
»Du hast die erforderliche Magie, Dor. Was dir fehlt, das ist die Erfahrung und das Durchsetzungsvermögen, um sie richtig anzuwenden. Es wäre sehr nachlässig von mir, wenn ich nicht dafür Sorge tragen würde, daß du diese Erfahrung sammelst.«
»Aber –«
»Kein Magier sollte eines Ogers bedürfen, um sich Respekt zu verschaffen. Du bist noch nicht abgehärtet genug, um dann gnadenlos zu sein, wenn es erforderlich ist.«
»Ah…« Dor wußte, daß er rot geworden war. Er hatte eben einen mächtigen Nasenstüber bekommen, und er wußte, daß er gerechtfertigt war. Wenn ein Magier sich von jemandem wie Pferdemaul tyrannisieren ließ…
»Ich glaube, du brauchst eine Aufgabe, Dor. Eine Männeraufgabe. Eine, bei der du zeigen kannst, wie sehr du dem Amt gewachsen bist, das auf dich zukommt.«
Das Gespräch war ja völlig anders verlaufen als geplant! Jetzt sah es eher so aus, als habe der König seine Entscheidung gefällt und Dor herbeizitiert, um ihm seine Anweisungen zu geben, anstatt ihn einfach nur zu empfangen. »Ich… vielleicht.« Vielleicht? Ganz bestimmt sogar!
»Du achtest Millie«, sagte der König. »Aber du weißt auch, daß sie einer anderen Generation angehört und daß sie ein bestimmtes, unbefriedigtes Verlangen hat.«
»Jonathan«, erwiderte Dor. »Sie… sie liebt Jonathan den Zombie!« Er sagte es beinahe zornig.
»Dann bin ich der Meinung, daß das Schönste, was man für sie tun kann, darin besteht, eine Möglichkeit zu finden, Jonathan wieder zum vollständigen Leben zu erwecken. Vielleicht würde es dann auch offenbar, weshalb sie ihn so sehr liebt.«
»Aber –« Dor mußte verstummen. Er wußte, daß Grundys Bemerkungen nur den geringsten Teil des Spotts darstellten, der ihm sicher war, wenn er jemals ernsthaft behauptete, Millie gegenüber bestimmte Absichten zu haben. Sie war eine achthundert Jahre alte Frau, und er war nur ein Junge. Eine Möglichkeit, alle Gerüchte im Keim zu ersticken, bestand zweifellos darin, ihr das zu geben, wonach sie am meisten verlangte: Jonathan, und zwar einen lebendigen Jonathan. »Aber wie –?«
Der König spreizte die Hände. »Ich kenne die Antwort darauf nicht, Dor. Aber es könnte jemanden geben, der sie kennt.«
Es gab nur eine Person in ganz Xanth, die auf alles eine Antwort wußte: der Gute Magier Humfrey. Doch das war ein säuerlicher alter Mann, der für jede Antwort einen Jahresdienst forderte. Den Guten Magier Humfrey suchten nur Leute von beachtlicher Entschlossenheit und großem Beharrungsvermögen auf.
Plötzlich erkannte Dor, was König Trent ihm da für eine Herausforderung präsentiert hatte. Zunächst würde er seine vertraute Umgebung verlassen müssen, um durch die gefährliche Wildnis zum Schloß des Guten Magiers zu reisen. Dann würde er sich einen Zugang zum Schloß erkämpfen müssen. Dann einen Jahresdienst für die Antwort ableisten. Dann mit Hilfe der Antwort Jonathan zum Leben erwecken – und das alles in dem Bewußtsein, daß er sich auf diese Weise jeder Chance beraubte, Millie…
Sein Verstand empörte sich. Das war keine Aufgabe, das war eine Katastrophe!
»Normale Bürger brauchen sich nur um sich selbst zu sorgen«, fuhr Trent fort. »Aber ein Herrscher muß sich ebensosehr um das Wohl seiner Untertanen kümmern wie um sein eigenes. Er muß bereit sein, Opfer zu bringen, und manchmal auch sehr persönliche Opfer. Manchmal kann es sogar notwendig sein, daß er die Frau, die er liebt, verlieren muß und eine Frau heiratet, die er nicht liebt – zum Wohle des Reichs.«
Millie aufgeben, um Irene zu heiraten? Dor wollte protestieren, doch da wurde ihm klar, daß der König gar nicht von ihm gesprochen hatte, sondern von sich selbst. Trent hatte Frau und Kind in Mundania verloren und daraufhin die Zauberin Iris geheiratet, die er nie zu lieben vorgegeben hatte. Er hatte auch
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