Zauberin von Darshiva
türmte die üppige Pracht von Vellas blauschwarzem Haar auf den Kopf. »Für solches Haar könnte ich meine Seele hergeben«, murmelte sie.
»Ich würde gern mit Euch tauschen«, versicherte ihr Vella. »Wißt Ihr, welchen Preis man für mich bezahlen würde, wenn ich blond wäre?«
»Pst, Vella«, murmelte Porenn abwesend. »Ich versuche zu überlegen.«
Sie schlang das Haar des Mädchens locker um die Hände und staunte, wie lebendig es sich anfühlte. Dann griff sie nach Vellas Kinn, hob es und blickte ihr in die großen Augen. Etwas schien nach der Königin von Drasnien zu greifen, sie zu berühren, und plötzlich kannte sie die Bestimmung dieses halbwilden Geschöpfs vor sich. »O meine Liebe«, fast lachte sie,
»welch eine erstaunliche Zukunft vor Euch liegt! Großes steht Euch bevor, Vella!«
»Ich weiß wirklich nicht, wovon Ihr redet, Porenn!«
»Das werdet Ihr noch.« Porenn musterte das makellose Gesicht. »Ja«, murmelte sie, »Satin. Lavendelfarben wäre genau richtig.«
»Ich ziehe Rot vor.«
»Nein, meine Liebe«, widersprach Porenn. »Rot ist unmöglich. Es muß Lavendel sein.« Sie berührte flüchtig die Ohren des Mädchens. »Und ich glaube, Amethyste hier und hier.«
»Was habt Ihr vor?«
»Es ist so etwas wie ein Spiel, Kind. Drasnier haben viel übrig für Spiele.
Wenn ich fertig bin, verdopple ich Euren Preis.« Porenn wirkte sehr selbstzufrieden. »Badet erst mal, dann wollen wir weitersehen.«
Vella zuckte die Schultern. »Solange ich meine Dolche behalten kann.«
»Das überlegen wir uns noch.«
»Könnt Ihr wirklich etwas aus einem ungehobelten Wesen wie mir machen?« fragte Vella fast kläglich.
»Verlaßt Euch nur auf mich.« Porenn lächelte. »Nehmt jetzt ein Bad, Kind. Ich muß Briefe lesen und Entscheidungen treffen.«
Nachdem die Königin von Drasnien die Briefe gelesen hatte, rief sie ihren Leibdiener und erteilte ihm einige Befehle. »Ich möchte mit dem Gra-fen von Trellheim sprechen«, sagte sie »ehe er noch betrunkener wird.
Auch mit Javelin muß ich reden, sobald er Zeit hat, zum Schloß zu kommen.«
Etwa zehn Minuten später trat Barak durch die Tür ihres Privatgemachs.
Seine Augen waren etwas trüb, und sein buschiger roter Bart stand in alle Himmelsrichtungen. Yarblek begleitete ihn.
»Stellt eure Krüge zur Seite, meine Herren«, sagte Porenn knapp. »Es gibt zu tun. Barak, ist der Seevogel zum Auslaufen bereit?«
»Das ist er immer«, antwortete er fast gekränkt.
»Gut. Dann sammelt Eure Leute ein. Ich muß Euch bitten, zu mehreren Orten zu segeln. Ich berufe eine Sitzung des Alornischen Rates ein. Benachrichtigt Anheg, Fulrach und Brands Sohn Kail in Riva. Haltet in Arendien an und holt Mandorallen und Lelldorin ab.« Sie schürzte die Lippen. »Korodullins Gesundheitszustand läßt eine Reise nicht zu, also macht einen Bogen um Vo Mimbre, denn er würde aus dem Totenbett aufstehen, um teilzunehmen, wenn er erführe, worum es geht. Begebt Euch statt dessen nach Tol Honeth und nehmt Varana mit. Cho-Hag und Hettar benachrichtige ich selbst. Yarblek, reitet Ihr nach Gar Nadrak und holt Drosta. Laßt Vella hier bei mir.«
»Aber…«
»Keine Aber, Yarblek. Tut genau, was ich Euch auftrage!«
»Ich dachte, Ihr habt gesagt, es ginge um eine Sitzung des Alornischen Rates, Porenn«, wandte Barak ein. »Wieso laden wir dazu die Arendier ein und die Tolnedrer – und die Nadraker?«
»Es handelt sich um einen Notfall, Barak, der alle betrifft.«
Sie starrten sie verständnislos an.
Sie klatschte laut in die Hände. »Rasch, meine Herren! Beeilt Euch! Wir haben keine Zeit zu vergeuden!«
Urgit, der König von Cthol Murgos saß auf seinem überladenen Thron im Drojimpalast von Rak Urga. Er trug Wams und enges Beinkleid in seiner Lieblingsfarbe Purpur, hatte ein Bein leicht über die Thronlehne geschlungen und warf abwesend seine Krone zwischen den Händen hin und her, während er der leiernden Stimme Agachaks zuhörte, des knochendürren Hierarchen von Rak Urga. »Es wird warten müssen, Agachak«, sagte er schließlich. »Ich heirate nächsten Monat.«
»Das ist ein Befehl der Kirche, Urgit!«
»Wundervoll. Grüßt die Kirche von mir.«
Agachak wirkte fast bestürzt. »Ihr glaubt jetzt wohl an gar nichts mehr, mein König?«
»Jedenfalls an nicht mehr viel. Ist diese kranke Welt, in der wir leben, schon bereit für Atheismus?«
Zum erstenmal in seinem Leben las Urgit Zweifel aus dem Gesicht des Hierarchen. »Atheismus ist ein reiner Ort,
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