Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen
erforderte.
Auf dem nächsten Hügelkamm hatte sie einen ungehinderten Blick über das sanft hügelige Innere der Insel. Die Seebären lagen überall in kleinen Gruppen herum und schliefen im Sand oder unter dem Gestrüpp. Als die Männer auf dem Hügelkamm erschienen, würdigten die massigen Kreaturen sie kaum eines Blickes. Diejenigen, die überhaupt die Augen öffneten, betrachteten ihr Herannahen mit genauso wenig Interesse wie die Vögel, mit denen sie das Gebiet teilten und die in ihrem Mist herumpickten.
Die Jäger bezogen in aller Ruhe Position. Althea wurde rasch von den Beuteln mit Pfeilen befreit, die sie getragen hatte. Sie ging auf Abstand, als sie ihre Bögen spannten und ihr Ziel suchten. Dann begann eine tödliche Wolke von Pfeilen herabzuregnen. Die Tiere, die getroffen wurden, bellten kurz auf, und einige hoppelten unbeholfen im Kreis umher, bevor sie starben. Dennoch schienen diese Geschöpfe ihren Schmerz und den Tod ihrer Artgenossen nicht mit den Männern auf dem Hügel in Verbindung zu bringen. Es war ein fast gemächliches Abschlachten, wie die Jäger ein Ziel nach dem anderen auswählten und ihre Pfeile abschossen.
Das bevorzugte Ziel waren die Hälse der Tiere. Dort rissen die breiten Pfeilspitzen die Venen auf. Das Blut sprudelte in dicken Strömen heraus. Diesen Tod hatten sie beabsichtigt; sie wollten, dass die Tiere verbluteten. Denn so blieben die empfindlichen Felle unversehrt, genauso wie das weiche Fleisch, das auf diese Weise nicht zu schwer mit Blut getränkt war. Aber es war weder ein schneller noch ein schmerzloser Tod. Althea hatte selten gesehen, wie Tiere geschlachtet wurden, ganz zu schweigen ein Gemetzel dieser Größenordnung erlebt. Es widerte sie an, und dennoch blieb sie stehen und sah zu. So würde sich sicher auch ein richtiger Schiffsjunge benehmen, also versuchte sie, sich ihren Ekel nicht anmerken zu lassen.
Die Jäger töteten vollkommen sachlich. Sobald die letzten Pfeile verschossen waren, gingen sie hinunter und zogen sie aus den toten Tieren heraus. Die Häuter folgten ihnen wie die Geier.
Die Hauptmasse der Tiere war verärgert von ihren Artgenossen abgerückt, die sich in Todeskrämpfen wanden und brüllten.
Sie schienen immer noch keine Panik zu empfinden, sondern nur eine gewisse Abneigung gegen die merkwürdigen Kapriolen, die ihre Ruhe störten. Der Führer der Jäger warf Althea einen gereizten Blick zu. »Sieh nach, warum sie noch nicht mit dem Salz hier sind!«, blaffte er sie an, als hätte sie ihre Pflichten vernachlässigt. Sie beeilte sich, seinem Befehl nachzukommen, froh darüber, dass sie diesem Gemetzel entkommen konnte.
Die Häuter gingen schon an die Arbeit. Sie zogen jedem Vieh die Haut ab, entnahmen Zunge, Herz und Leber, bevor sie die Eingeweide aus dem Weg räumten und die nackten Fett-und Fleischlieferanten auf ihren eigenen Häuten liegen ließen. Die schlauen Möwen stellten sich bereits zu diesem Festmahl ein.
Althea hatte kaum den Hügelkamm erklommen, als sie einen Seemann auf sich zukommen sah. Er rollte ein Fass mit Salz vor sich her. Ihm folgten eine ganze Reihe anderer Seeleute, und plötzlich wurde ihr klar, welche Aufgabe hier auf sie wartete. Ein Salzfass nach dem anderen wurde den Hügel hinaufgerollt, während ein Boot mit leeren Fässern bereits von einer anderen Mannschaft an Land gerudert wurde. Das geschah auf der ganzen Inselgruppe, Die Reaper selbst lag sicher vor Anker und wurde nur noch von einer Rumpfmannschaft bewacht. Alle anderen waren damit beschäftigt, auszuladen und Salzfässer sowie leere Tonnen an Land zu rollen. Und das alles musste auch wieder auf das Schiff gebracht werden. Allerdings waren die Fässer dann voll mit eingepökeltem Fleisch und voller Häute.
Sie würden so lange hier bleiben, wie es Tiere und leere Fässer gab.
»Sie warten auf das Salz«, sagte sie dem ersten Seemann. Der machte sich nicht einmal die Mühe, ihr zu antworten. Althea drehte sich um und lief wieder zu den Jägern zurück. Die waren mittlerweile dabei, den gefiederten Tod auf eine andere Gruppe von Tieren herabregnen zu lassen, während die Häuter bereits die Hälfte von dem verarbeitet zu haben schienen, was die Jäger erlegt hatten.
Dem ersten Tag folgte eine scheinbar endlose Reihe ebenso blutiger Tage. Und Althea fielen die Aufgaben zu, für die alle anderen keine Zeit zu haben schienen. Sie trug Herzen und Zungen in ein besonderes Fass und salzte dabei jedes Organ, bevor sie es hineinlegte. Ihre Kleidung
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