Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen
abgestreiften Häute wurden mit einer dicken Schicht Salz dazwischen aufgerollt. Alle Matrosen wurden plötzlich zu Häutern, Schlachtern oder Packern. Sie selbst fand sich mit einem Häutermesser in der Hand wieder, über einen Kadaver gebeugt, der noch warm war, und zog das Messer von der Speiseröhre des Seebären zu seiner Luftröhre.
Althea hatte es mittlerweile oft genug gesehen, um jeden Ekel zu verlieren. Trotzdem stieg ein Moment der Übelkeit in ihr hoch, als sie die weiche Haut von der dicken Fettschicht darunter abzog. Das Tier war warm und schlaff unter ihren Händen, und aus der Öffnung seines Körpers stieg ein warmer Hauch von Tod und Innereien. Sie wappnete sich dagegen. Die breite, flache Klinge ihres Messers glitt ohne Widerstand zwischen Fett und Haut und löste sie vom Körper, während sie mit der freien Hand leicht an dem Fell zog. Bei ihrem ersten Tier machte sie zwei Löcher in die Haut, weil sie sich zu sehr beeilte.
Doch dann entspannte sie sich und dachte nicht darüber nach, was sie tat, sondern achtete nur darauf, es so gut wie möglich zu machen. Daraufhin löste sie die nächste Haut so leicht ab, als schälte sie eine Orange aus Jamaillia. Der Trick war zu überlegen, wie ein Tier gebaut war, wo die Haut dick oder dünn sein musste, wo es Fett gab und wo nicht.
Bei ihrem vierten Tier merkte sie, dass es ihr nicht nur leicht fiel, sondern dass sie sogar gut darin war. Sie bewegte sich schnell von Kadaver zu Kadaver und achtete plötzlich nicht mehr auf das Blut und den Gestank. Dem langen Schnitt, mit dem sie das Tier öffnete, folgten das schnelle Häuten und die kurze Ausweidung.
Herz und Leber wurden mit zwei kurzen Schnitten ausgetrennt, und der Rest des Eingeweidesacks rollte dann frei aus Körper und Haut heraus. Die Zunge war das Schwierigste.
Sie musste das Maul des Tieres öffnen und die noch warme, feuchte Zunge festhalten und sie an der Wurzel abhacken.
Wäre es nicht so eine wertvolle Delikatesse gewesen, wäre sie vielleicht sogar versucht gewesen, sie einfach außer Acht zu lassen.
Irgendwann hob sie den Kopf und spähte durch die Regenschleier. Der kalte Regen hämmerte ihr auf den Rücken und lief ihr in die Augen, aber außer in einer kurzen Atempause hatte sie kaum Notiz davon genommen. Dafür fiel Althea plötzlich auf, dass ihr nicht weniger als drei Teams von Schlachtern folgten, die versuchten, mit ihr Schritt zu halten. Sie hatte eine breite Spur von abgehäuteten Kadavern hinterlassen.
In der Ferne schien einer der Jäger mit dem Maat über etwas zu reden. Er deutete unauffällig in ihre Richtung, und plötzlich wusste Althea, dass sie das Thema ihres Gesprächs war. Sie bückte sich erneut über ihre Arbeit, und ihre Hände flogen nur so, während sie den kalten Regen abschüttelte, der ihr in die Augen lief und von ihrer Nase tropfte. Stolz stieg warm in ihr empor. Es war eine schmutzige, widerliche Arbeit, und sie wurde in einem Ausmaß betrieben, die jede Gier in den Schatten stellte. Aber sie war gut darin.
Und es war schon so lange her, dass sie das von sich hatte behaupten können, dass ihr Hunger nach diesem Lob sie schockierte.
Dann kam der Moment, in dem sie sich umsah, aber keine Tiere mehr fand, die sie hätte häuten können. Sie stand langsam auf und rollte die Schultern, um den Schmerz zu bekämpfen.
Sie wischte das Messer an ihrer blutigen Hose ab und streckte die Hände aus, um das Blut und die Fleischreste abzuspülen.
Hinter ihr arbeiteten die Männer gebeugt über die abgehäuteten Kadaver, die sie hinterlassen hatte. Ein Mann rollte ein Salzfass auf sie zu, während ein weiterer mit einer leeren Tonne folgte.
Als der Mann neben ihr stehen blieb und das Fass aufrichtete, hob er den Kopf und sah sie an. Es war Brashen. Sie grinste.
»Ziemlich gut, was?«
Er wischte sich den Regen vom Gesicht. »Wenn ich du wäre«, erwiderte er ruhig, »würde ich so wenig Aufmerksamkeit wie nur möglich auf mich ziehen. Deine Verkleidung hält keiner genauen Prüfung stand.«
Sein Tadel verärgerte sie. »Vielleicht brauche ich keine Verkleidung mehr, wenn ich gut genug bei meiner Arbeit bin!«
Seine Miene verriet sowohl Ungläubigkeit als auch Entsetzen.
Er öffnete das Salzfass und machte eine Handbewegung, als wollte er sie auffordern, mit dem Salzen der Häute anzufangen.
Doch er sagte etwas ganz anderes. »Wenn diese zweibeinigen Bestien, mit denen du dich zusammentust, auch nur eine Sekunde annehmen würden, dass du eine Frau bist,
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