Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt
eigenes Blut zu vergießen. O nein!« Er holte tief Luft und drehte sich auf dem Absatz um.
»Ihr müsst Folgendes tun: Wir werden ein kurzfristiges Treffen der Händler einberufen, nein, nicht von allen, sondern nur mit dem Vorstand des Konzils. Ihr werdet ihnen die traurige Mitteilung überbringen, dass der Satrap seit einem Erdbeben in Trehaug vermisst wird und zu fürchten steht, dass er tot ist.
Deshalb habt Ihr entschieden zu handeln, um die Unruhen in Bingtown zu beenden. Sagt ihnen, dass wir einen Waffenstillstand mit den Neuen Händlern schließen müssen, aber dass dieser Waffenstillstand von jeder Familie der Neuen Händler unterschrieben werden muss. Wir werden Mingsleh benachrichtigen, dass wir bereit sind, über die Bedingungen zu verhandeln. Aber jede Neue-Händler-Familie muss einen Bevollmächtigten zu den Verhandlungen schicken. Sie sollen als Parlamentäre kommen, unbewaffnet und ohne Diener oder Wachen. In die Halle der Händler. Sobald sie da sind, schnappt die Falle zu. Wir werden den Neuen Händlern sagen, dass sie sofort friedlich unsere Küste verlassen und all ihren Besitz aufgeben müssen, sonst würden die Geiseln den Preis dafür zahlen. Überlasst ihnen, wie sie das bewältigen, aber macht deutlich, dass die Geiseln ihnen erst hinterher geschickt werden, wenn sie eine Tagesreise vom Hafen Bingtowns entfernt sind.
Dann…«
»Wollt Ihr wirklich die Geiseln töten, wenn sie nicht zustimmen?«, fragte Serilla mit schwacher Stimme.
»Dazu wird es nicht kommen«, beruhigte er sie hastig.
»Wenn doch, ist es die Schuld ihrer Leute, nicht unsere. Wenn sie uns dazu zwingen… Aber Ihr wisst selbst, dass es nicht dazu kommen wird.« Er sprach viel zu schnell. Wollte er sie beruhigen oder sich selbst?
Serilla versuchte, die Courage aufzubringen, ihm zu sagen, wie dumm er war. Er benahm sich wie ein großer Junge, der gewalttätigen Unsinn ausstößt. Sie war eine Närrin gewesen, sich jemals auf ihn zu verlassen. Aber sie hatte zu spät festgestellt, dass ihr Werkzeug scharfe Kanten hatte. Sie musste ihn unschädlich machen, bevor er noch weiteren Schaden anrichtete. Aber sie konnte es nicht. Er stand vor ihr, mit geblähten Nasenflügeln und geballten Fäusten, und sie spürte die Wut, die hinter seiner ruhigen Maske kochte, den Zorn, der seinen selbstgerechten Hass nährte. Wenn sie sich ihm widersetzte, würde er seine Wut gegen sie richten. Ihr blieb nur die Flucht.
Sie stand langsam auf und bemühte sich, gelassen zu wirken.
»Danke, dass Ihr mir die Neuigkeiten überbracht habt, Roed.
Jetzt brauche ich ein bisschen Zeit, um das alles zu durchdenken.« Sie neigte den Kopf und hoffte, dass er sich ebenfalls verbeugen und dann verschwinden würde.
Aber er schüttelte stattdessen den Kopf. »Ihr habt keine Zeit mehr, lange darüber nachzudenken, Gefährtin. Die Umstände zwingen uns zum sofortigen Handeln. Schreibt die Briefe an die Vorsitzenden des Konzils. Dann ruft einen Diener, der diese Botschaften überbringt. Ich selbst werde die Vestrit in Gewahrsam nehmen. Sagt mir, in welchem Zimmer sie schläft.«
Er runzelte plötzlich die Stirn. »Oder hat sie Euch schon auf ihre Seite gezogen? Glaubt Ihr, dass Ihr mehr Macht gewinnt, wenn Ihr Euch mit den Neuen Händlern zusammentut?«
Natürlich. Wer ihm widersprach, wurde kurzerhand zum Feind erklärt. Und dann würde er sich genauso rücksichtslos gegen sie wenden wie gegen Ronica. Die Vestrit-Händlerin hat ihm Angst gemacht, als sie gegen ihn aufgestanden war.
War das Ronica im Flur gewesen? Hatte sie die Warnung gehört und verstanden? Hatte die alte Frau genug Zeit gehabt, um zu fliehen? Hatte Serillas Verhalten sie gerettet, oder opferte sie Ronica, um sich selbst zu retten?
Roed ballte rastlos die Fäuste. Sie konnte sich sehr genau vorstellen, wie brutal er die dünnen Handgelenke der alten Frau packen würde. Aber sie konnte ihn nicht aufhalten. Er würde ihr nur wehtun, wenn sie es versuchte. Er war zu groß und zu stark, zu männlich und Furcht einflößend. Sie ertrug es kaum, mit ihm in einem Zimmer zu sein, und sein Vorhaben würde ihn eine Weile von ihr fern halten. Es war nicht ihre Schuld, genauso wenig, wie Davad Restates Tod ihre Schuld gewesen war. Sie hatte getan, was sie konnte, oder nicht? Aber was war, wenn der Schatten an der Tür gar niemand gewesen war?
Wenn die alte Frau noch schlief? Serillas Mund war trocken, als sie sagte: »Im obersten Stockwerk. Die vierte Tür links.
Davads Schlafzimmer.«
Roed
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