Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt
waren ihre Hände feucht und zitterten in ihrem Schoß. Sie bebte am ganzen Körper, seit das Mädchen sie geweckt und ihr gesagt hatte, dass Roed Caern unten wartete und sie sofort sehen wollte. Sie hatte sich rasch angekleidet und die Frau wütend angefahren, als sie ihr helfen wollte. Ihr war nicht einmal genug Zeit geblieben, sich ordentlich das Haar zu frisieren. Also hatte sie es kurz ausgebürstet und hochgesteckt. Sie kam sich vor wie eine schlampige Dienstmagd.
Trotzdem glomm ein Funke von Stolz in ihr. Sie hatte sich gegen ihn zur Wehr gesetzt. Wenn der Schatten in dem Türspalt Ronica gewesen war, hatte sie sie warnen können. In dem Moment, als Roed ihr seinen verrückten Heiratsantrag machte, hatte die Gefährtin vermutet, dass jemand draußen an der Tür lauschte. Die Vorstellung, dass Ronica dieses rüde Angebot mit anhörte, hatte Serilla den Mut gegeben, ihn zurechtzuweisen.
Es beschämte sie, dass die Bingtown-Händlerin hörte, dass Roed so mit ihr sprach. Aber sie hatte Roed zurückgewiesen und Ronica gewarnt. Und er hatte es nicht einmal gemerkt!
Sie saß stocksteif an Davads Schreibtisch, als die Dienerin Kaffee und frische Brötchen hinstellte. An jedem anderen Morgen wäre der Duft des Kaffees und der Brötchen appetitlich gewesen. Aber so wie Roed dastand, kochend vor Ungeduld, bereitete der Geruch ihr nur Übelkeit. Würde er dahinterkommen, was sie getan hatte? Schlimmer noch, würde sie es vielleicht später bereuen? Je besser sie Ronica kennen lernte, desto mehr respektierte sie die Händlerin. Selbst wenn Ronica Vestrit eine Verräterin an Jamaillia sein sollte, wollte Serilla bei ihrer Ergreifung und Folterung nicht mithelfen. Ihre Erinnerungen überwältigten sie. Der chalcedeanische Kapitän tauchte vor ihrem geistigen Auge auf.
Das Dienstmädchen hatte den Raum kaum verlassen, da trat Roed an das Tablett und bediente sich. »Wir dürfen keine Zeit verlieren, Gefährtin. Wir müssen darauf vorbereitet sein, dass der Satrap mit den Chalcedeanern an der Leine hier auftaucht.«
Vermutlich wird es eher umgekehrt sein, dachte sie. Aber sie konnte die Worte nicht aussprechen. Warum hatte ihr Mut sie verlassen? Sie konnte nicht einmal logisch denken, wenn Caern im Zimmer war. Sie glaubte ihm nicht. Außerdem war sie politisch erfahrener als er und konnte die Lage besser analysieren.
Aber irgendwie gelang es ihr nicht, das in Taten umzusetzen.
Wenn dieser Mann im Zimmer war, schien sie in seiner Welt gefangen zu sein, von seinen Worten. Und in seiner Realität.
Er sah sie stirnrunzelnd an. Sie hatte nicht aufgepasst. Er hatte etwas gesagt, und sie hatte nicht geantwortet. Was hatte er gesagt? Sie bemühte sich, sich zu erinnern, aber sie kam nicht darauf. Sie starrte ihn nur mit immer größerer Bestürzung an.
»Wenn Ihr keinen Kaffee mögt, soll ich Euch dann Tee servieren lassen?«
»Nein, macht Euch keine Mühe.« Sie fand endlich die Sprache wieder. »Kaffee genügt, wirklich.«
Bevor sie reagieren konnte, schenkte er ihr ein. Sie sah ihm zu, wie er Honig und Sahne hinzufügte, viel zu viel für ihren Geschmack, aber sie sagte nichts. Er legte auch ein süßes Brötchen auf einen Teller und brachte ihr beides. Als er das Frühstück vor ihr abstellte, fragte er geradeheraus: »Geht es Euch gut, Gefährtin? Ihr seht blass aus.«
Die Muskeln in seinen gebräunten Unterarmen traten deutlich hervor, ebenso wie die Knöchel an seinen Händen. Serilla führte hastig die Tasse an ihren Mund und trank einen Schluck.
Als sie sie wieder absetzte, versuchte sie, ihrer Stimme einen festen Klang zu geben. »Mir geht es gut«, erwiderte sie förmlich. »Danke. Fahrt fort.«
»Mingslehs Friedensangebote sind eine Farce, eine Ablenkung, die uns beschäftigen soll, während sie ihre Kräfte sammeln. Sie wissen von der Flucht des Satrapen. Außerdem bin ich davon überzeugt, dass die Vestrits von Anfang an mitgemischt haben. Denkt doch nur, wie die alte Frau versucht hat, uns vor dem Händlerkonzil zu diskreditieren! Das hat sie nur gemacht, um von ihrem eigenen Verrat abzulenken!«
»Mingsleh…«, begann Serilla.
»Dem darf man nicht trauen. Wir sollten ihn stattdessen benutzen. Soll er uns doch ein Friedensangebot unterbreiten. Wir können so tun, als wollten wir ihn unbedingt treffen. Und wenn wir ihn weit genug aus der Deckung gelockt haben, erledigen wir ihn.« Roed machte eine scharfe Handbewegung.
Serilla nahm ihren ganzen Mut zusammen. »Es gibt hier aber eine Diskrepanz. Ronica
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