Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt
Vestrit hat mich davor gewarnt, Mingsleh zu vertrauen. Wenn sie mit ihm unter einer Decke steckte, dann würde sie doch sicher…«
»Alles tun, um keinen Verdacht zu erregen«, beendete Roed den Satz für sie. Seine Augen funkelten wütend.
Serilla richtete sich auf. »Ronica hat mich oft dazu gedrängt, Frieden mit allen Fraktionen zu schließen, die in Bingtown etwas zu sagen haben. Nicht nur mit den Alten und den Neuen Händlern, sondern auch mit den Sklaven und den Drei-Schiffe-Immigranten und den anderen Einwanderern. Sie besteht darauf, dass wir alle an diesem Waffenstillstand teilhaben lassen müssen, wenn wir einen dauerhaften Frieden erreichen wollen.«
»Dann hat sie sich selbst verurteilt!«, erklärte Roed Caern.
»Diese Worte sind Verrat an Bingtown, den Händlern und Jamaillia. Wir hätten alle wissen sollen, dass die Vestrits bereits verdorben waren, als sie ihrer Tochter erlaubten, einen Fremden zu heiraten, und zwar auch noch einen Chalcedeaner. So weit reicht diese Verschwörung also zurück. Sie schmieden schon jahrelang solche Pläne und machen derweil auf Bingtowns Kosten Gewinn. Der Alte hat niemals auf dem Regenwildfluss Handel getrieben. Wusstet Ihr das? Welcher Händler, der bei Verstand ist und ein Lebensschiff besitzt, würde eine solche Gelegenheit ausschlagen? Und trotzdem hat er irgendwie Geld verdient. Wo? Mit wem? Sie haben einen chalcedeanischen Mischling in ihre Familie aufgenommen. Das kommt mir sehr verdächtig vor. Vermutet Ihr nicht auch, dass die Vestrits schon sehr früh ihre Loyalität zu Bingtown aufgegeben haben?«
Er sammelte seine Punkte etwas zu schnell. Serilla war von seiner Logik wie vor den Kopf gestoßen. Sie merkte, dass sie nickte, und musste sich aufraffen, um damit aufzuhören. »Aber wenn man in Bingtown Frieden machen will, muss man mit den Menschen, die hier leben, einen Konsens erreichen. Anders geht es nicht.«
Er überraschte sie, als er nickte. »Genau. Ihr habt Recht. Aber sagen wir lieber: mit allen Menschen, die hier leben sollten.
Den Alten Händlern. Den Drei-Schiffe-Immigranten, die mit uns Verträge geschlossen haben, als sie hierher gekommen sind. Und mit denen, die seitdem hier angekommen sind, allein, zu zweit oder in Familien, die unsere Sitten akzeptieren und nach unseren Gesetzen leben, während sie gleichzeitig begreifen, dass sie niemals Bingtowner Händler werden können. Mit dieser Mischung können wir leben. Wenn wir die Neuen Händler und deren Sklaven vertreiben, wird sich unsere Wirtschaft wieder erholen. Sollen die Bingtown-Händler doch das Land in Besitz nehmen, das ungerechtfertigterweise den Neuen Händlern zugeschlagen wurde. Als eine Art Schadensersatz, weil der Satrap sein Wort uns gegenüber gebrochen hat.
Dann wird alles wieder gut in Bingtown.«
Es war eine kindliche Logik und viel zu schlicht, um der Realität standzuhalten. Machen wir alles wieder, wie es vorher war, schlug er vor. Begriff er denn nicht, dass die Geschichte keine Tasse Tee war, die man wieder in die Kanne zurückgießen konnte? Sie versuchte es noch einmal und legte alle Kraft in ihre Stimme, eine Kraft, die sie nicht wirklich empfand.
»Das kommt mir nicht sehr gerecht vor. Die Sklaven haben nicht mitentscheiden können, ob sie hierher gebracht wurden oder nicht. Vielleicht…«
»Es ist gerecht. Sie werden auch nicht mitentscheiden können, wenn sie aus Bingtown weggeschickt werden. Das gleicht es wieder aus. Sie sollen verschwinden und den Leuten Probleme machen, die sie hergeschafft haben. Ansonsten werden sie weiterhin durch die Straßen laufen, plündern, alles zerstören und ehrliche Menschen ausrauben.«
In Serilla flammte etwas von ihrer alten Kühnheit auf. Sie sprach, ohne nachzudenken. »Und wie wollt Ihr ihnen das unterbreiten?«, erkundigte sie sich. »Wollt Ihr ihnen vielleicht einfach vorschlagen wegzugehen? Ich bezweifle, dass sie Euch gehorchen werden.«
Einen Moment wirkte Caern geschockt, und seine Miene verriet Zweifel. Dann jedoch verzog er verächtlich die Lippen.
»Ich bin nicht dumm!«, fuhr er sie an. »Es wird natürlich Blutvergießen geben, das weiß ich. Es gibt genügend andere Händler und Händlersöhne, die zu mir halten. Wir haben darüber bereits gesprochen. Wir akzeptieren, dass Blut fließen muss, bevor das alles vorüber ist. Es ist der Preis, den unsere Vorfahren für Bingtown bezahlt haben. Jetzt sind wir an der Reihe, und wir werden zahlen, wenn wir müssen. Aber wir haben nicht die Absicht, unser
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