Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt
auf den Herd stellte, warf sie den beiden einen Blick über die Schulter zu. »Ihr seht ziemlich erschöpft aus. Wir haben noch ein bisschen Haferbrei übrig. Er ist klebrig, aber er macht trotzdem satt. Soll ich ihn aufwärmen?«
»Bitte«, antwortete Rache, als Ronica stumm blieb. Die unverstellte Gastfreundschaft des Mädchens trieb der Händlerin Tränen in die Augen, selbst als sie begriff, wie heruntergekommen sie aussehen musste, um so viel Mitleid auszulösen.
Es demütigte sie, dass sie so weit gesunken war und an der Tür einer Drei-Schiffe-Familie bettelte. Was würde Ephron jetzt von ihr denken?
Der Haferbrei war tatsächlich klebrig und fest. Ronica verschlang ihre Portion mit einer heißen Tasse roten Tees, der nach Sitte des Drei-Schiffe-Volks mit Kardamom gewürzt war.
Ekke schien zu spüren, dass sie beide ausgehungert und erschöpft waren. Sie ließ sie essen und plauderte dabei selbst die ganze Zeit, redete vom Winterwetter, von Netzen, die geflickt werden mussten, und dem vielen Salz, das man kaufen musste, um genug Pökelfisch für die Winterzeit zu haben. Ronica und Rache nickten nur, während sie unablässig kauten.
Als sie den Brei aufgegessen hatten, räumte Ekke ihre Schüsseln beiseite und füllte ihre Tassen wieder mit dampfendem, duftendem Tee. Dann setzte sie sich zum ersten Mal mit ihrer eigenen Tasse an den Tisch. »Also, du bist die Frau, die schon früher mit Pa geredet hat, richtig? Du willst mit ihm über die Bingtown-Lösung sprechen, hm?«
Ronica gefiel ihre direkte Art, und sie nahm sich ein Beispiel daran. »Nicht ganz. Ich habe schon vorher zweimal mit deinem Vater über die Notwendigkeit geredet, dass sich die Leute von Bingtown friedlich einigen. Die Dinge können nicht so weiterlaufen wie bisher. Wenn doch, dann brauchen die Chalcedeaner nichts weiter zu tun, als vor unserem Hafen zu warten, bis wir uns gegenseitig in Stücke gehackt haben. Im Moment haben unsere Patrouillenschiffe sogar Schwierigkeiten, frische Vorräte zu finden, wenn sie einlaufen. Ganz zu schweigen davon, wie schwer es Vätern und Brüdern fällt, hinauszusegeln und die Chalcedeaner zu vertreiben, wenn sie sich Sorgen um ihre Familien machen müssen, die ungeschützt zu Hause bleiben.«
Eine Falte erschien auf Ekkes Stirn, während sie bestätigend nickte. Rache mischte sich plötzlich ein. »Aber deshalb sind wir nicht hier. Ronica und ich suchen Asyl, wenn es geht, bei den Drei-Schiffe-Immigranten. Unser Leben ist in Gefahr.«
Das ist zu dramatisch, dachte Ronica bedauernd, als sie sah, wie die Frau die Augen zusammenkniff. Einen Augenblick später hörten sie Schritte auf der Veranda, und die Tür ging auf. Sparse Kelter kam herein. Er sah genauso aus, wie Rache ihn beschrieben hatte, ein Bär von einem Mann, und er hatte mehr rotes Haar auf den Armen und im Gesicht als auf dem Kopf. Er blieb überrascht stehen und schloss dann die Tür hinter sich, während er sich verdutzt am Bart kratzte. Er sah von seiner Tochter zu den beiden Frauen am Tisch.
Dann holte er tief Luft, als wären ihm eben erst seine Manieren eingefallen. Aber sein Gruß war genauso direkt wie der seiner Tochter. »Und was führt Händlerin Vestrit an unseren Tisch?«
Ronica stand rasch auf. »Harte Notwendigkeiten, Sparse Kelter. Meine eigenen Leute haben sich gegen mich gewendet. Ich werde Verräterin genannt und beschuldigt, eine Verschwörung angezettelt zu haben, obwohl nichts dergleichen stimmt.«
»Und Ihr seid hier, weil Ihr Schutz bei mir und meinem Volk sucht«, stellte Kelter fest.
Ronica nickte schweigend. Sie wussten beide, dass sie Ärger brachte und dass es Sparse Kelter und seine Tochter am schwersten treffen konnte. Das musste sie nicht erst sagen. »Es sind Händlerangelegenheiten, und es ist nicht gerecht, dass ich Euch da mit hineinziehe. Ich will Euch nicht bitten, dass Ihr mich hier aufnehmt, sondern nur, dass Ihr einen anderen Händler benachrichtigt. Einen, dem ich vertraue. Ich schreibe eine Botschaft, und vielleicht findet Ihr ja jemanden, der sie Grag Tenira von den Bingtown-Händlern überbringt. Wenn Ihr mir dann erlauben würdet, hier zu warten, bis er antwortet… Um mehr bitte ich Euch nicht.«
In das folgende Schweigen sagte sie noch. »Ich weiß, dass dieser Gefallen schon groß genug ist, zumal ich ihn von einem Mann erbitte, mit dem ich zuvor erst zweimal gesprochen habe.«
»Aber Ihr habt beide Male gut gesprochen. Von Dingen, die mir wichtig sind, von Frieden in Bingtown, von
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