ZECKENALARM IM KARPFENLAND
sich die Aktenüberschrift Langhaxade Abgängige vom Attersee und warf das Dokument auf einen der vielen Aktenstapel, welche auf seinem Schreibtisch lagen. Er sah auf die Uhr. Mit einem „Halbe viere. Heit gibts eh nix mehr zum Lukrieren“ zog er sich seinen Trachtenjanker an und verließ das Büro. Wochenende. Als er gemächlichen Schrittes in dem ehrwürdigen Bauwerk an der Alpenstraße den Paternoster betrat, stieg ein Stockwerk tiefer auch der Leiter der Bundespolizeidirektion zu. „Habe die Ehre, Herr Hofrat, auch einen dringenden, externen Termin?“
Erlangen, Kommissariat der Kripo, Montag, 22. Oktober 2012
Sandra Millberger hatte sich den halben Vormittag ihren Chef zur Brust genommen und ihm den Spiegel vorgehalten.
„… und als du dann festgelegt hast, dass ich den Zeckenfall übernehmen soll, und du an der viel wichtigeren Aufklärung des Mordes an Frau Riu-Krummbauer weiterarbeitest, war ich ganz schön angefressen. Das kann ich dir sagen. Dass du dabei auf der Stelle trittst, ist nicht verwunderlich. Ratschläge von anderen scheinen für dich ein rotes Tuch zu sein. Insbesondere, wenn es sich um gut gemeinte Ratschläge deiner Tante Kunni handelt. Auch dir täte es ganz gut, wenn du einmal über deinen eigenen Tellerrand hinweg sehen würdest. Das scheint dir wohl sehr schwer zu fallen, wie?“
Bis zur Mittagszeit hatten sich die beiden in ein Besprechungszimmer zurückgezogen. Personalgespräch, bitte nicht stören! stand außen auf der Tür. Als Sandra Millberger und Gerald Fuchs fünf Minuten nach zwölf das Zimmer wieder verließen, hätte der Kommissar zur Nervenberuhigung einen Schnaps, besser gleich zwei, durchaus vertragen können. Das Gute an dem Gespräch war, dass es Sandra mal wieder geschafft hatte, ihren Chef auf die richtigen Gleise zu setzen.
„Und jetzt Schwamm drüber“, hatte sie vorgeschlagen, „keine Diskussionen mehr Die beiden Beamten wollten gerade gemeinsam zum Mittagessen weggehen, als sich Hauptkommissar Joerg Kraemer telefonisch bei Kommissar Fuchs meldete.
„Gerald, ist die Sandra auch da?“
„Ja. Wir wollten gerade …“
„Dann kommt mal beide gleich bei mir vorbei.“
Gerald Fuchs und Sandra Millberger trotteten den Gang entlang in Richtung Büro von Joerg Kraemer.
„Setzt euch“, forderte der Hauptkommissar die beiden auf, als sie sein Büro betraten. Dann warf er ein paar Seiten Telefax auf den kleinen Besprechungstisch, um den sie Platz genommen hatten.
„Seht euch das an!“, forderte er sie auf.
„Aber, das ist doch …“, weiter kam der Kommissar nicht.
„Genau. Frau Yvonne Sievers“, ergänzte Joerg Kraemer, „mausetot. Frisch aus dem Attersee gezogen.“
„Wo kommt das denn her?“, wollte Sandra Millberger wissen und betrachtete die Absenderadresse der Faxmitteilung.
„Salzburg“, antwortete der Hauptkommissar knapp. „Ich fasse mal kurz zusammen, was da drinnen steht: Vom dreizehnten bis zum sechzehnten Oktober hat das Österreichische Bundesheer, genauer gesagt drei Kompanien von Gebirgsjägern, eine Übung im Höllengebirge, das liegt in der Nähe des Attersees, abgehalten. Dabei hat ein Wachsoldat durch sein Nachtsichtgerät beobachtet, wie ein Mann nachts ein verdächtig großes Paket in den See gestoßen hat. Kurz darauf ist dieser Mann in einem Ford Focus mit deutschem Kennzeichen ERH weggefahren. Diese Beobachtung wurde in ein Wachbuch eingetragen und ließ dem zuständigen Kommandeur des Militärs keine Ruhe. Also hat er die Wasserrettungsorganisation in Weißenbach am Attersee darüber informiert. Nachdem der Wachsoldat den Tauchern die exakte Stelle gezeigt hat, wo das Paket versenkt wurde, sind diese bis auf eine Tiefe von fünfzig Meter abgestiegen und haben die Leiche von Frau Yvonne Sievers auf einem unterseeischen Felsvorsprung gefunden. Vor einer dreiviertel Stunde haben mir die österreichischen Kollegen dieses Fax übermittelt, und als ich mir das Foto darauf näher angesehen habe, dachte ich, mich laust der Affe. Ich habe sofort erkannt, dass es sich dabei um Frau Sievers handelt, die ja noch immer zur Fahndung ausgeschrieben ist.“
„Hat der Wachsoldat auch die Nummer auf dem Kfz-Kennzeichen erkannt?“, wollte Sandra Millberger wissen.
„Leider nicht. Der Pkw stand zu weit entfernt. Damit haben wir einen weiteren Mord an der Backe. Wie schaut’s denn im Fall Riu-Krummbauer aus?“
Gerald Fuchs sah seine Assistentin an. Die nickte ihm zumunternd zu. „Ich denke, wir machen langsam Fortschritte“,
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