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Zehn Mythen der Krise

Zehn Mythen der Krise

Titel: Zehn Mythen der Krise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiner Flassbeck
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volatiler, kurzfristiger Kapitalströme mit einer Aufforderung an die Entwicklungsländer zu reagieren, die darauf hinausläuft, ihre Kapitalmärkte auszubauen, also zu vertiefen. Das ist aber geradezu eine Einladung an die Kapitalströme und würde das Problem, die Überbewertung der Währungen vieler Entwicklungsländer, noch verschärfen. Dass sich zur gleichen Zeit ein Industrieland mit sehr tiefem Kapitalmarkt, die Schweiz nämlich, der Kapitalzuströme nur durch eine extreme Intervention der Zentralbank zu erwehren wusste, wurde von den G20 nicht einmal zur Kenntnis genommen. Nur mit dieser Neigung zum Marginalismus ist es zu erklären, dass die Weltwirtschaft im Jahr 2012 in Gefahr ist, in die sage und schreibe zehnte große Finanzkrise der letzten dreißig Jahre [1] zu schlittern, ohne dass man bei der Analyse der Ursachen auch nur einen Millimeter weitergekommen wäre.

MYTHOS III:
Die Staatsschulden sind die eigentliche Ursache der Krise
    Zum skizzierten Muster der bewussten oder unbewussten Nicht-Problemlösung passt, dass drei Jahre nach dem Beginn des Prozesses, der zum kompletten Zusammenbruch des Weltfinanzsystems hätte führen können, die staatlichen Schulden immer stärker als die »eigentliche« Ursache in den Vordergrund gerückt werden – und zwar nicht nur für die Euro-, sondern auch für die globale Finanzkrise. [2] Das ist zwar in beiden Fällen in der Sache vollkommen abwegig (Grafiken 1 und 2), weil sich glasklar nachweisen lässt, dass die Eurokrise andere Ursachen hat (siehe Mythos V ) und dass weltweit die Schulden eindeutig erst nach dem Ausbruch der Finanzkrise und wegen der von ihr ausgelösten Rezession sowie der Rettung von Banken gestiegen sind.
    Aber das Muster dieser Scheinanalyse ist politisch und ideologisch einfach unschlagbar attraktiv. Es verschafft dem Politiker sozusagen ein einfaches Ziel für sein politisches Handeln, es erspart ihm die Auseinandersetzung mit komplexen Sachverhalten und anderen wirtschaftlichen Gruppen, und es gibt ihm eine politische Botschaft an die Hand, die er seinen Wählern quer durch alle Schichten einfach und überzeugend erklären kann.
    Hinzu kommt, wie oben schon erwähnt, dass Staatsschulden den großen »Vorteil« haben, die Schuld wieder dem Staat in die Schuhe schieben und den Markt reinwaschen zu können, weshalb dieser Mythos perfekt zu den Programmen aller konservativen und liberalen Parteien passt. Zusammen mit dem bereits viel früher etablierten Dogma, nach dem Steuererhöhungen für alle Zeiten verboten , Steuersenkungen jedoch jederzeit geboten sind, erzwingt der Mythos so das permanente Kürzen staatlicher Ausgaben, was natürlich darauf hinausläuft, den vom Staat abhängigen, weniger begüterten Teil der Bevölkerung noch weiter zu schwächen.Während also die gewählten Volksvertreter den staatlichen Institutionen den Schwarzen Peter zuschieben, bleiben alle anderen Regelungen zur Bändigung der Finanzmärkte oder zur Behebung wirtschaftspolitischer Schwachpunkte vage. Und die Krisenursachen selbst geht niemand effektiv an. So bildet beispielsweise die deutsche Forderung nach einer in der Verfassung verankerten »Schuldenbremse« für alle Länder der Eurozone den Höhepunkt dieser Verdrängungsstrategie.
    Was diejenigen, die solch einfachen Mustern – aus welchen Gründen auch immer – folgen, jedoch bei Weitem unterschätzen, sind die systemischen Wirkungen, die ihr undifferenziertes, allein gegen den Staat gerichtetes Handeln zeitigt. Es ist keine Übertreibung zu sagen: Sie zerstören die Grundlagen für eine funktionierende Marktwirtschaft. Nehmen wir ein einfaches Beispiel: Der gute deutsche Haushaltspolitiker sorgt für die Zukunft vor, indem er spart und den Gürtel enger schnallt, wenn es einmal schlecht läuft. Er wird unterstützt von vielen, die fest daran glauben, dass buchstäblich jeder seine Ausgaben und Einnahmen ausbalancieren muss. Das ist aber sogar im Lichte der herrschenden ökonomischen Lehre falsch. Wenn in einer Wirtschaft investiert werden soll – und in welcher sollte nicht investiert werden? –, würde selbst diese Lehre sagen, man müsse unbalanciert vorgehen, einer müsse also sparen, sprich: weniger ausgeben als einnehmen, und ein anderer müsse sich verschulden, um zu investieren.
    Suggeriert man den Bürgern jedoch, dass sie zwar sparen dürfen, die anderen aber gleichwohl ihre Einnahmen und Ausgaben ausgleichen sollen, dann ist dies gefährlicher Unsinn, weil man damit ein Rezept

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