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Zeichen im Schnee

Zeichen im Schnee

Titel: Zeichen im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie McGrath
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des Rennens in Nome postierte und Edie in Anchorage blieb. Dereks Rolle bestand hauptsächlich darin, als Kontaktperson für Sammy zu fungieren. Alles, was Sammy an Vorräten benötigte – Hundefutter, Pfotenschuhe, Kleidung zum Wechseln, Hundegeschirr, Ersatzbeläge für die Schlittenkufen und dergleichen –, war vor dem Start des Rennens zu den jeweiligen Kontrollpunkten gebracht worden, und sofern nicht etwas schrecklich schiefging, rechnete Derek nicht damit, vor Ende des Rennens gebraucht zu werden. Sammy wünschte keine Ablenkung dadurch, dass Leute, die er kannte, an den Kontrollpunkten aufkreuzten, schon gar nicht seine Exfrau.
    Derek sah gähnend zum Fenster. Dünne dunkelgraue Lichtstreifen drangen durch das Rollo. Er sah sich um, und ihm wurde mulmig, als ihm das spätabendliche Telefongespräch wieder einfiel. Warum war er so blöd gewesen, mehr oder weniger darauf zu bestehen, Edie solle zu ihm nach Nome kommen? Nicht, dass er sie nicht mochte. Im Gegenteil, er mochte sie so sehr, dass er sich zuweilen fragte, ob es nicht mehr war als nur mögen, aber die Frau trieb ihn auch komplett in den Wahnsinn. Andererseits fühlte er sich zwangsläufig als ihr Beschützer; er traute ihr einfach nicht zu, nicht immer wieder in eine Klemme zu geraten. Edie schien Scherereien anzuziehen, wie Köderfallen Füchse anzogen.
    Er hörte leise Stimmen, dann klopfte es an die Tür, und Zach rief seinen Namen.
    «Aileen Logan, die Iditarod-Chefin, ist da und will dich sprechen. Ich mach Kaffee.»
    Zach und Derek hatten sich vor ein paar Jahren auf der Jahreskonferenz des Verbandes der einheimischen Polizei in Yellowstone kennengelernt und waren in Kontakt geblieben. Sie verband ein entspanntes Verhältnis zum Gesetzesvollzug. Zach arbeitete außerhalb von Nome als Naturschutzpolizist. Seine Aufgabe bestand hauptsächlich darin, auf die Einhaltung der Jagd- und Fischereivorschriften zu achten, und in der schiffbaren Zeit arbeitete er bei der Beobachtung des Schiffsverkehrs in der Beringstraße eng mit der Küstenwache zusammen. Er lebte in einer Polizistenfamilie. Wenn seine Frau Megan Avuluq nicht im Mutterschaftsurlaub war, arbeitete sie als Sicherheitsbeauftragte für die Siedlungen; ihr Einsatzgebiet reichte von der Sicherheitsstation wenige Kilometer östlich von Nome bis zu dem Inupiaq-Dorf White Mountain.
    Derek stand taumelnd von seinem Klappbett auf, zog Hemd und Hose von gestern an und ging in Zachs Wohnzimmer.
    Auf dem Sofa saß eine mollige Frau mit einer Wolke von schmutzig blonden Haaren. Vor ihr stand ein Kaffeebecher.
    «Morgenstund hat Gold im Mund.» Sie hatte eine Stimme wie ein brünftiger Moschusochse.
    Derek rieb sich die Augen, gähnte und sah auf die Uhr. Halb sechs. Er war nur wenige Stunden im Bett gewesen.
    Aileen lachte schallend. «Ihr Iditarod-Neulinge haltet mich auf Trab», sagte sie. «Mann, hier bei uns ist man morgens um halb sechs ausgeschlafen.»
    Zach brachte ihm Kaffee, und Derek saß mit seinem Becher da und wärmte sich erst mal auf. Bloß nicht zu schnell bewegen. Der frühe Morgen war noch nie seine Zeit gewesen.
    «Hören Sie», sagte Aileen, «ich habe von Ihrer Freundin in Anchorage gehört. Schlimm, was da passiert ist.»
    Sie sah das Erstaunen in Dereks Gesicht.
    «Willkommen in Alaska, der größten Kleinstadt der Welt.» Sie gab wieder ihr schallendes Lachen von sich. «Aber ich habe Sie nicht bei Ihrem Schönheitsschlaf gestört, um Mitgefühl mit Ihrer Freundin auszudrücken. Der Mann hat ein kleines Problem.»
    Vom Kontrollpunkt Yentna, nur gut hundert Kilometer von Wasilla entfernt, war der Funkruf eingegangen, dass Sammy auf seinen Leithund verzichten musste.
    «Doch nicht Holzkopf?», fragte Derek. Nachdem zwei Hunde von Sammys Gespann sich beim Training die Ballen an einem Stück Nadeleis aufgerissen hatten, hatte Sammy sich von Edie Holzkopf ausgeliehen. Der Hund war ein Pfundskerl.
    «Genau der», sagte Aileen. «Pfote aufgerissen. Er hat seinen Schuh verloren und ist auf Glaseis getreten.» Die Aufseher in Yentna würden den Hund bei sich behalten, bis eins von den Buschflugzeugen der selbsternannten Iditarod Air, die während des Rennverlaufs die Route überflogen, ihn nach Anchorage bringen konnte.
    «Sie müssen ihn dann aus dem Knast abholen.» Die Wärterin der Frauenjustizvollzugsanstalt in Anchorage hatte ein Rehabilitationsprogramm für Insassinnen am Ende ihrer Strafzeit erdacht, bei dem sie sich um kranke oder verletzte Hunde kümmern mussten, bis die

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