Zeichen im Schnee
der noch weiter entfernt war von dem, was sie zunehmend als die belastenden Auswirkungen der modernen Gesellschaft sahen, die sie als «die Außenseite» bezeichneten. Eine solche Gruppe hatte Alberta in den 1970 er Jahren verlassen und anscheinend in Alaska die ersehnte Ruhe und Abgeschiedenheit gefunden.
Bis jetzt.
Edie wollte sich gerade ausloggen, da erschien ein Pop-up mit einem Link. Als sie ihn anklickte, wurde der Bildschirm dunkel und sie wurde automatisch zur Webseite einer Organisation geführt, die sich SpiritCleanse nannte. Neben einer Liste von Webseiten, die offenbar Exorzismus-Dienste anboten, wurde auf den Begriff «Altgläubige» verlinkt. Edie klickte ihn an und geriet an einen
Alt oder finster?
betitelten Blog. Sie überflog den Artikel. Dem Text war zu entnehmen, dass eine Gruppe, die sich Finstergläubige nannte, sich vor ein paar Jahren von der Hauptgemeinschaft abgespalten hatte. Zu den fragwürdigen Praktiken dieser neuen Gruppe, so der Blogger, gehörten Tieropfer und eine Anzahl nicht näher bezeichneter satanischer Rituale.
Spinner. Edie schloss die Seite und wollte aufstehen, aber dann siegte ihre Neugier doch, und sie wandte sich noch einmal dem Monitor zu und googelte das Wort Finstergläubige. Sofort war der Bildschirm voller Verweise zu Blogs und Diskussionsrunden. Wie es schien, waren die Finstergläubigen mehr als die paranoiden Phantasien eines einzelnen Bloggers. Edie klickte ein paar Links an. Die Diskussionen waren ausnahmslos in verschwörerischem Ton gehalten. Einige waren begleitet von Texten, die aussahen, als wären sie auf Tierhaut geschrieben, eigenartigen Anordnungen aus russischer Schrift, Symbolen und alt aussehenden russischen Zeichen. Andere waren mit Abbildungen der Altgläubigen in ihrer fremdländischen Tracht versehen. Edie war mitten im Lesen, klickte sich von einer Seite zur anderen, als ein Angestellter, ein ernst blickender Mann Anfang zwanzig mit gelben Fuchsaugen, zu ihr trat. Edie sah auf die Uhr. Von ihrer Stunde waren noch zehn Minuten übrig.
«Mensch, tut mir leid, aber ich muss Sie bitten, hm, zu gehen.»
«Was?» Sie war baff. «Das ist nicht Ihr Ernst, oder?»
Fuchsauge zuckte verlegen die Achseln. «Mensch, hören Sie, also, mir könnte das egal sein, ja, aber mein Chef flippt richtig aus bei solchen Sachen.» Er griff nach ihrer Maus und schloss die Webseite. «Also, wissen Sie, dieses ganze Zeug von Finstergläubigen und Satanisten, da rastet mein Chef glatt aus.»
Sie zuckte ihrerseits die Achseln. Bemüht, sich nicht so bestürzt anzuhören, wie sie war, sagte sie, das sei okay, sie sei ohnehin fertig. Doch der junge Mann wich ihr nicht von der Seite, er rieb die Handflächen aneinander, und sein äußerst unbehaglicher Gesichtsausdruck besagte, dass er noch nicht fertig war.
«Ich erstatte Ihnen gern Ihre Minuten, aber ich muss Sie wirklich bitten zu gehen.»
Sie stand auf und ging zum Ausgang. An der Tür nickte er ihr beflissen zu. Als sie auf die Straße trat, sah sie, wie er sich vorbeugte und den Computerstecker zog.
Heikles Thema, diese Sache mit den Finstergläubigen.
Edie ging zurück in ihr Apartment. Auf dem Anrufbeantworter bat Derek um Rückruf. Sie wählte seine Nummer, und er nahm sofort ab.
«Wie geht’s?»
«Gut», log sie.
«Zach sagt, sie haben einen Verdächtigen namens Peter Galloway. Der Typ, den du auf dem Schneemobil gesehen hast.»
«Ja», sagte sie, «stand in der Zeitung.»
«Zach hat gehört, man will ihn unter Arrest stellen und die Sache möglichst schnell abschließen. Weil, die Augen der Welt ruhen derzeit auf Alaska und so.»
Edie wurde mulmig zumute. Sie hatte ein mieses Gefühl, weil sie Detective Truro nichts von den fehlenden Fußabdrücken rund um das Häuschen erzählt hatte, genauso wenig wie von der unerklärlichen Kruste aus gebrochenen Eiskristallen auf der Leiche. Andererseits, wer konnte schon sagen, ob das von Bedeutung war? Truro kannte mit Sicherheit Fakten, die sie nicht kannte. Er würde seine Gründe haben für die Annahme, dass Galloway in die Sache verwickelt war.
Sie berichtete, was sie im Internet-Café entdeckt und wie der Angestellte darauf reagiert hatte. Derek klang nachdenklich.
«Ich an deiner Stelle würde die Finger von dem Zeug lassen, Edie.»
«Du bist aber nicht an meiner Stelle.»
«Nein.» Er schwieg lange genug, um sie seine Missbilligung spüren zu lassen, dann kam er auf die Sache mit Holzkopf zu sprechen. Das war besonders enttäuschend, weil Edie
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