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Zeig mir den Tod

Zeig mir den Tod

Titel: Zeig mir den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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irgendetwas. »Die Kinder sind zurück!«
    Günther hastete ihr hinterher. »Warte! Die Kinder haben einen Hausschlüssel«, rief er, doch Lene riss bereits die Haustür auf.
    Draußen standen die beiden Kommissare, die schon am Nachmittag hier gewesen waren. Ehrlinspiel und Freitag, wenn er sich richtig erinnerte. Im hellen Schein der Außenleuchte sahen sie wie die Botschafter einer Glücksnachricht aus.
    Sie haben sie gefunden! Schon blitzten die Visionen in Günther auf, unbeschwertes Glück: der Tumult nach der Premiere, er selbst, umjubelt im Scheinwerferlicht, der Intendant des Burgtheaters applaudierend in der ersten Reihe, Edith, die ihn stolz umarmte, und die Wohnung in Wien, in der er bald leben würde. Allein.
    Doch die Gesichter der Polizisten waren ernst.
    Der Größere von beiden, Ehrlinspiel, ein attraktiver Mann um die vierzig und mit kantigem Gesicht, nickte. »Es ist fast Mitternacht, das wissen wir. Können wir dennoch hereinkommen?«
    Wie ein kleiner, harter Ball sprang die Angst in Günthers Magen hin und her, und gleichzeitig stammelte Lene: »Sie … sind tot, nicht wahr?«
    »Aber nein«, sagte Freitag, und Ehrlinspiel ergänzte: »Es gibt nichts Neues zu Marius und Rebecca.«
    Der Ball in seinem Magen wurde ruhiger. »Aber?« Die Polizei kam doch nicht grundlos – mitten in der Nacht!
    »Lassen Sie uns drinnen reden.«
    »Natürlich.« Sein Blick huschte kurz durch die Nacht, die um die Ermittler lag wie ein samtener schwarzer Bühnenvorhang. Er versuchte ein Lächeln. Ob es ihm gelang, wusste er nicht.
    Gleich darauf saßen sie wie schon am Spätnachmittag in der Sitzecke, die Stehlampe tauchte sie in einen warmen Lichtkegel.
    »Wie geht es Ihnen?« Ehrlinspiel sah von dem leeren Whiskyglas zu Günther und dann zu Lene.
    Sie presste die Lippen aufeinander, schwieg.
    »Wir … wir machen uns große Sorgen.« Seine Frau hatte noch nicht einmal eine frische Hose angezogen, und ihr Haar war strähnig. Er selbst steckte noch in Fausts weißem Hemd, die Rüschenärmel ragten aus den Manschetten des schwarzen Gehrocks hervor. Günther schämte sich plötzlich. Für Lene und für sich selbst.
    Der Kommissar nickte. »Herr Assmann, Frau Assmann, weshalb haben Sie uns nichts von Annika erzählt?«
    Die Wände bewegten sich auf Günther zu, und er glaubte, die Schmerzen in seiner Brust erdrückten ihn. »Annika«, sagte er.
    Freitag beugte sich vor. »Bitte?«
    Da merkte er, dass aus seinem Mund kein Laut gekommen war. »Annika«, wiederholte er laut.
    »Sie ist Ihre erste, gemeinsame Tochter. Am dreiundzwanzigsten Mai 1993 verschwand sie spurlos. Unsere Kollegen haben monatelang nach ihr gesucht.«
    Er nickte.
    »Und jetzt sind Marius und Rebecca nicht nach Hause gekommen.« Freitag fixierte ihn. »Das gibt uns zu denken.«
    »Ich … wir … bitte nicht noch einmal das Ganze. Wir würden das nicht durchstehen.«
    »Das alles ist sicher furchtbar schwer für Sie. Aber wir müssen zumindest in Betracht ziehen, dass Annikas und nun Marius’ und Rebeccas Verschwinden mehr als ein Zufall ist. Sie sollten uns alles sagen, was Ihnen dazu einfällt. Jede Spur kann entscheidend sein.«
    »Haben Sie denn schon nach ihnen gesucht? Sie sitzen hier und machen uns Vorwürfe, statt –«
    »Unsere Leute sind unterwegs. Sie haben bereits das Gebiet um die Straßenbahn-Haltestelle und hier um das Haus abgesucht. Ebenso die Haltestelle vor der Schule. Morgen früh befragen wir die Fahrgäste, die wie Ihre Kinder gegen Viertel nach neun an der Lorettostraße zusteigen. Die meisten fahren ja immer um die gleiche Zeit mit der gleichen Linie.« Freitag lächelte, und Günther wünschte, er könnte seine Zuversicht teilen.
    »Sie war einfach weg«, sagte Lene. »Ist zum Spielen rausgegangen und nie zurückgekommen.«
    »So steht es in den Akten. Um kurz nach halb sechs haben Sie sie zuletzt gesehen. Von diesem Fenster aus.« Freitag deutete nach rechts. »Um achtzehn Uhr riefen Sie Annika zum Abendessen. Sie kam nicht.«
    »Wir haben den ganzen Garten abgesucht, gerufen, unter jedem Strauch haben wir nachgesehen, hinter jedem Baum. Günther ist« – sie nahm seine Hand, und er erschrak, wie kalt sie war – »sogar hochgeklettert.«
    »Ich dachte, dann überblicke ich den Garten besser. Er war damals noch nicht so … so ordentlich.«
    »Danach sind wir durch die Straßen gerannt, später mit dem Auto die ganze Gegend abgefahren.« Lene zitterte. »Sie wollte so gern ihr Lieblingskleid anziehen an dem Tag. Das

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