Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeig mir den Tod

Zeig mir den Tod

Titel: Zeig mir den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
Vom Netzwerk:
Schmerz zieht bis in ihre Brust.
    In der Ecke raschelt es. Er brummt und setzt sich auf, sie sieht seine dünne Gestalt im schwachen Licht. Sofort stopft sie die Kekspackung in die Plastiktüte zurück, aber er ist schon bei ihr. Seine Arme legen sich fest um sie, und er flüstert: »Du zitterst.« Dann legt Marius seine Hand auf ihre Stirn. Seine Finger sind eiskalt. »Dein Gesicht glüht«, sagt er.
    Sie hustet wieder, kann nicht aufhören, und schmeckt etwas Bitteres. All die schöne Schokolade hat sie weggehustet. »Wo sind wir?«, fragt sie schließlich.
    Er drückt seine Wange an ihre, seine Haare kitzeln sie. »Ich weiß es nicht«, murmelt er. Seine Stimme klingt so komisch, so glucksend, und dann begreift sie, dass ihr Bruder weint. »Ich weiß es nicht, meine Zuckermaus«, wiederholt er. Zuckermaus nennt er sie immer, wenn sie allein sind und wenn er sie aufmuntern will. Das darf nämlich niemand hören. Und sie ist so gern eine Maus. Mäuse sind so flink und weich, sie können sich überall verstecken und überall ihr Lieblingsessen klauen, und niemand sieht es.
    Er lässt sie los, setzt seine Brille auf und geht zu einem Gasbrenner, der neben einem Regal an der Wand steht. So einen kennt sie aus dem Urlaub. Sie waren in einem Hotel am Meer gewesen, und sie ist mit Marius an einem Tag durch die Gegend gestreift, auf einen Campingplatz. Da hatten die Leute so etwas. Sie hätte auch gern einmal in einem Zelt geschlafen.
    Marius hantiert daran herum, dann flammt es bläulich auf. Er dreht an irgendetwas, die Flamme wird größer und gelb.
    Jetzt sieht sie sein Gesicht. Es glänzt nass in dem flackernden Licht. Um die Augen hat er Schatten. Seine Brille sitzt schief.
    Er greift nach der Decke und legt sie um Becci.
    »Die stinkt«, sagt sie. »Und sie kratzt mich!«
    »Das macht nichts, sie muss dich nur wärmen.«
    »Spielen wir Räuber und Gendarm? Ist das unser Versteck?«
    Wieder schreien die Vögel.
    »Ja, Becci.« Er kauert sich neben sie auf den Boden und zieht die Decke um sie beide fest. »So ähnlich. Wir sind zwei Räuber, und die Gendarmen haben uns gefangen. Und wir machen alles, was sie sagen.«
    »Sie haben uns an der Haltestelle gefangen, stimmt’s?« Bestimmt ist die Frau eine Gendarmin gewesen.
    »Ja.«
    »Wo ist mein Handy?«
    »Ein Gendarm hat es uns weggenommen.«
    »Dann nimm deines. Wir müssen Mama Bescheid sagen, sonst schimpft sie.«
    »Es … es ist auch weg.«
    Sie fühlt seine Wärme an ihrer Seite, hustet wieder. »Die anderen Räuber müssen uns befreien!«
    »Ja, Zuckermaus. Wenn sie hierherfinden.« Er verschluckt die Worte, sie versteht ihn kaum.
    »Wann gehen wir nach Hause?«
    »Bald. Ganz bestimmt.«
    »Ich will nicht ewig hier bleiben. Räuber müssen auch wieder nach Hause gehen.«
    »Ich weiß.« Er wiegt sie hin und her.
    Sie blickt umher. In einer Ecke, fast bei ihren Füßen, liegen Bücher und Hefte. »Das ist aus meinem Rucksack. Sie haben ihn ausgeleert.« Fast weint sie. Sie hat doch immer alles so schön sortiert.
    »Nein, mein Schatz, dein Rucksack steht da drüben.« Er nickt ins Leere, und ihr Atem geht wieder gleichmäßig. »Das hier sind alte Bücher.« Neugierig rutscht sie auf dem Po hin, die Decke fällt von ihren Schultern, und sie nimmt ein Buch. Sofort lässt sie es wieder fallen, ein paar einzelne Blätter segeln im schwachen Licht zu Boden. »Igitt. Das ist ja total nass und glitschig.« Sie stößt mit dem Fuß dagegen. »Und es stinkt auch!«
    Marius zieht sie sanft zurück unter die Decke. »Hast du Hunger? Eine Gendarmin hat dort etwas hingestellt.« Er deutet zu den Tüten.
    Becci zuckt zusammen.
    »Becci?«
    »Ich bin so müde.«
    »Du musst etwas essen. Ein bisschen Gemüse. Wurst. Käse. Dafür brauchst du kein Insulin. Ich sehe nach, ob es etwas gibt.«
    Sie schmiegt sich an ihn. Er weiß, dass ihr Depot leer ist. »Ich mag nicht. Bleib da.« Er darf nicht wissen, dass sie schon satt ist. Von den Keksen. Den bösen Keksen mit den bösen Kohlehydraten.
    Marius sagt etwas, aber sie hört nur noch einzelne Wörter, sie ist so müde. Und so sitzt sie da und blinzelt vor sich hin. Ihr Kopf schmerzt schlimmer, die Schläfen pochen, und sie hustet, und dann schwankt der Boden ein bisschen, und schwarze Flecke durchziehen das Halbdunkel des Gefängnisses.
    Marius hält sie ganz fest, und draußen pfeift der Wind.

[home]
    8
    Freitag, 13 Uhr
    F ingerabdrucksuche oder mörderischer Staubwedel?«, fragte Idris und deutete auf Ehrlinspiels rechten

Weitere Kostenlose Bücher