Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeit der Gespenster

Zeit der Gespenster

Titel: Zeit der Gespenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
Vom Netzwerk:
er, wie er sagte, die Sache endgültig geklärt haben wollte. Jetzt waren ihm zwei Pneumographenschläuche an Brust und Bauch befestigt worden, sein Ring- und Zeigefinger waren mit zwei Metallplatten verbunden, und um seinen dünnen Oberarm schlang sich eine Manschette für das Messen des Blutdrucks.
    »Ist heute Mittwoch?«, fragte Bruno.
    Pike verdrehte die Augen. »Ja.«
    »Ist Ihr Name Spencer Pike?«
    »Ja.«
    »Ist Ihr Gesundheitszustand gut?«
    Eine Pause. »Nein.«
    »Haben Sie jemals gelogen?«, fragte Bruno.
    »Ja.«
    »Haben Sie jemals in wichtigen Dingen gelogen?«
    »Ja.«
    »Haben Sie jemals gelogen, weil Sie sonst in eine schwierige Lage gekommen wären?«
    »Ja.«
    Eli hörte zu, wie Bruno sich zu den wichtigen Fragen vortastete. Das Ergebnis des Detektortests war zwar weder vor Gericht verwendbar, noch konnte es als eindeutiger Beweis für Spencer Pikes Schuld oder Unschuld herhalten. Aber Eli musste um seines eigenen Seelenfriedens willen wissen, warum Spencer Pike offenbar meinte, für den Tod eines Kindes verantwortlich zu sein, das gar nicht ermordet worden war, und andererseits den Mord an seiner Frau abstritt.
    »Ist das Baby tot zur Welt gekommen?«, fragte Bruno jetzt.
    »Nein.«
    »Haben Sie das Baby nach der Geburt auf dem Arm gehalten?«
    »Ja.«
    »Haben Sie das Baby nach der Geburt getötet?«
    Pike atmete zittrig aus. »Ja«, sagte er.
    »Hatten Sie kurz vor der Geburt des Babys einen Streit mit Ihrer Frau?«
    »Ja.«
    »Hatten Sie nach der Geburt des Babys einen Streit mit Ihrer Frau?«
    »Nein.«
    »Haben Sie Ihre Frau geschlagen?«
    Pike senkte den Kopf. »Ja.«
    Bruno blickte Pike durchbohrend an. »Haben Sie Ihre Frau erhängt?«
    »Nein«, lautete die Antwort.
    »Danke«, sagte Bruno. Er zog den Ausdruck aus dem Polygraphen und ging auf den Flur, Eli folgte ihm.
    Eli wartete ab, während Bruno sich den Ausdruck ansah. »Und?«
    »Sehen Sie hier. Als ich gefragt habe, ob er seine Frau geschlagen hat, und er bejaht hat … das war die Kontrollfrage. Dann habe ich gefragt, ob er seine Frau ermordet hat, und seine physiologische Reaktion darauf war nicht so stark wie auf die Frage davor.«
    »Er war es nicht«, sagte Eli leise.
    »Sieht ganz so aus.« Bruno zögerte. »Soll ich ihm ein bisschen Angst einjagen? Vielleicht kriegen wir ja ein anderes Ergebnis.«
    Eli blickte durch die Tür. Pikes wässrige Augen starrten auf irgendetwas draußen vor dem Fenster. Seine Hände schlossen sich immer wieder krampfhaft um die Armlehnen des Rollstuhls. »Nein«, sagte Eli. »Er ist am Ende.«

    Erst als der Mitarbeiter von Starbucks hinter der Kundentheke seine Schürze abnahm und anfing, den Boden um ihren Tisch herum zu wischen, wurde Meredith klar, dass sie schon seit fünf Stunden mit Ross hier saß. »In der Natur sind Designerbabys die Norm«, sagte sie. »Zum Beispiel Gorillas. Da sind die Weibchen hinter den Silberrückenmännchen her, weil die schon so lange leben, dass sie grau geworden sind. Wenn also die Zeit der Fortpflanzung kommt, sucht man sich jemanden, der einem Nachwuchs mit der größten Lebenserwartung bescheren kann.« Merediths Hirn lief auf Hochtouren, weil sie ihre Arbeit verteidigen wollte, und sie wusste, das kam nicht nur daher, dass sie schon ihren vierten Latte Macchiato trank. »Wir sorgen im Labor lediglich dafür, dass es in der Natur etwas glatter läuft.«
    »Aber wenn man heute Embryos entsorgt, weil sie das Gen für Mukoviszidose in sich tragen«, konterte Ross, »wie groß ist dann der Schritt dahin, irgendwann alles loszuwerden, was nicht blaue Augen hat?«
    Meredith überlegte. »Na ja, blaue Augen sind ein Ein-Gen-Defekt, möglich wäre es also. Aber bei den meisten Eigenschaften, die Eltern für nicht wünschenswert halten, sind Hunderte von Genen gleichzeitig im Spiel. Es lässt sich nicht bestimmen, an welcher Stelle auf dem DNA-Strang Dummheit oder eine schwache Gesundheit oder Hässlichkeit liegen.«
    »Noch nicht«, sagte Ross. »Aber irgendwann wird man so weit sein, und dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis man die Stammzellentherapie dazu einsetzt, solche … unerwünschten Eigenschaften auszusondern. Und auf einmal ist dann die ganze Welt voller Replikanten.«
    »Erstens, es ist ein Unterschied, ob jemand, der bereits krank ist, geheilt wird oder ob jemand produziert wird, der nicht krank werden kann. Zweitens, 99,9 Prozent der Wissenschaftler, die auf diesem Gebiet forschen, machen das aus den richtigen Gründen – nicht weil sie an

Weitere Kostenlose Bücher