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Zeit der Gespenster

Zeit der Gespenster

Titel: Zeit der Gespenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Leben bisher eine Lüge war?«
    »Es war keine Lüge«, sagte Ross. »Es … war bloß anders, als Sie gedacht haben.« Er ging auf Meredith zu. »Sie sind Lia Pikes Enkelin. Und somit gehört Ihnen ein Grundstück in Comtosook, Vermont.«
    Er hätte ihr gern erzählt, dass man von dem Grundstück aus einen wunderschönen Blick auf die üppig grünen Berge hatte und dass die Luft unvorstellbar sauber roch. Er hätte ihr gern die Stelle gezeigt, wo er sich in Lia verliebt hatte.
    »Ich brauche kein Grundstück in Vermont«, sagte Meredith.
    »Aber eine ganze Reihe Abenaki-Indianer schon. Die versuchen nämlich zu verhindern, dass auf dem Land gebaut wird.«
    »Das ist nicht mein Problem.«
    »Nein, aber wenn Ihnen das Land gehört, können Sie entscheiden, was damit geschehen soll.«
    »Aha, jetzt kapier ich, woher der Wind weht. Sie sind so einer, der sich für die Rechte der Indianer einsetzt.«
    »Ich bin …«
    »Und klar, wenn Sie mich überzeugen können, dass in meinen Adern auch Abenaki-Blut fließt, dann werde ich mich bestimmt auf die Seite meiner Verwandten stellen. Bin ich denn die Einzige hier, die nicht mit Blindheit geschlagen ist? Seht mich doch an.« Meredith löste ihren Haarknoten. »Ich bin blond. Ich bin hellhäutig. Sehe ich aus, als hätte ich auch nur einen Tropfen Indianerblut in mir?«
    »Nein, aber Lia sah auch nicht so aus. Hören Sie, Sie sind Wissenschaftlerin«, sagte Ross. »Ihr Urgroßvater Az Thompson ist noch am Leben. Ein DNA-Test könnte den Beweis erbringen.«
    »Und dann?«
    Ross sah Ruby an, dann wieder Meredith. »Das liegt bei Ihnen.«
    Meredith kniff die Augen zusammen. »Was haben Sie eigentlich davon? Kassieren Sie Provision von den Abenaki? Kriegen Sie einen Vertrag für ein Buch?«
    »Nichts.« Ross blickte auf den Tisch, auf Lias Todesanzeige. »Ich möchte ihr bloß helfen.«
    Plötzlich spürte er kleine Hände an seinem Knie, die ihn aus dem Weg schoben. Meredith’ Tochter Lucy, die längst schlafen sollte, hatte gelauscht. »Lucy!«, sagte Ruby. »Wieso bist du denn auf?«
    »Ab zurück ins Bett«, befahl Meredith.
    Aber Lucy zeigte auf Lias große Augen, die weißen Wangen. »Sie hat ihr Baby verloren.«
    Alles in Ross erstarrte.
    »Lucy.« Meredith ging in die Hocke. »Ich weiß nicht, was du alles aufgeschnappt hast, aber …«
    » Lassen Sie sie reden «, murmelte Ross.
    »Sie sagt es mir jedes Mal.« Lucy stockte. »Sie hat auch gesagt, dass Sie kommen würden.«
    »Wer hat das gesagt?«, fragte Ross tonlos.
    »Die Frau da«, sagte Lucy und zeigte auf Lias Foto. »Die seh ich immer mitten in der Nacht.«

    Eli war nicht bewusst gewesen, wie heruntergekommen sein Zuhause aussah, bis er es durch Shelbys Augen sah. »Erwarte nicht zu viel«, hatte er sie gewarnt, und als er die Haustür öffnete, stachen ihm gleich der zerkratzte Holzboden und die schäbige Couch ins Auge. In der Spüle stapelte sich das schmutzige Geschirr, neben der Tür lagen seine Schuhe durcheinander. »Ich, ähm, hab’s nicht mehr geschafft aufzuräumen«, entschuldigte sich Eli.
    »Wow!« Ethan drängte sich an ihnen vorbei. »So will ich auch mal wohnen«, sagte er und folgte Watson die Treppe hinauf. Gleich darauf erklang ein Begeisterungsschrei.
    Eli blickte zur Decke. »Schätze, er hat den Schießstand entdeckt.«
    »Du hast einen Schießstand ?«
    »Kleiner Scherz«, sagte Eli und stellte eine Tüte mit Lebensmitteln in der Küche ab – Shelby hatte versprochen einen Festschmaus zuzubereiten. Was spielte es da für eine Rolle, dass es drei Uhr morgens war?
    Shelby machte sich gleich in der kleinen Küche ans Werk. Seit sie wusste, dass ihr Bruder noch unter den Lebenden weilte, war sie wie verwandelt.
    Ross war also in Maryland auf der Suche nach Ruby Weber, und Eli bekam gerade von einer wunderschönen Frau ein Abendessen zubereitet. Alles in allem, dachte er, schnitt er gar nicht so schlecht ab. Und plötzlich spürte Eli das Bedürfnis, Shelby nicht mehr gehen zu lassen.
    Er beobachtete sie, wie sie Paprikaschoten auf der Arbeitsplatte nebeneinanderlegte – durch die kleinen Farbtupfer sah seine Küche gleich viel besser aus. Sie drehte sich um, eine Styroporpackung mit Hähnchenfleisch in der Hand. »Das muss so lange in den Kühlschrank«, sagte sie, und fast im selben Augenblick baute Eli sich in voller Größe vor der Kühlschranktür auf.
    »Wie du willst«, sagte Shelby langsam, »dann kriegst du eben eine Salmonellenvergiftung.«
    »Moment.« Eli griff hinter sich und

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