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Zeit der Gespenster

Zeit der Gespenster

Titel: Zeit der Gespenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Kleidungsstücke ihres Bruders in einem unordentlichen Haufen. Kopfschüttelnd strich sie ein Hemd glatt und legte es aufs Bett. Als sie seine Jeans zusammenlegen wollte, fiel etwas aus der Tasche. Shelby bückte sich und hob es auf. Es waren drei Pennys aus dem Jahr 1932.

    Ross drehte sich um und winkte Ethan zu, der oben am Fenster stand, dann näherte er sich behutsam der Stelle im Wald, wo er zuletzt etwas Weißes hatte aufblitzen sehen. Er hatte Ethan die Taschenlampe dagelassen, daher konnte er kaum einen Meter weit sehen, aber er hörte deutlich, dass irgendjemand – oder irgendetwas – sich ganz in der Nähe bewegte.
    Ross fröstelte. Hier draußen war es kälter, als er gedacht hatte. Auf einmal roch er den Duft von Wildrosen. Z eig dich , dachte er.
    Doch stattdessen sah er plötzlich eine junge Frau vor sich, die auf dem Boden kauerte und versuchte, mit bloßen Händen in der gefrorenen Erde zu graben.
    Sie trug ein geblümtes Kleid, und ihr helles Haar flatterte ihr ins Gesicht. Das Weiß, das Ross gesehen hatte, war ein Spitzenkragen. Sie bewegte sich fieberhaft, ganz auf das Graben konzentriert. Sie war jung und hübsch und hatte hier nichts zu suchen. Und sie war ebenso real wie der Boden unter seinen Füßen. Offensichtlich hatte sie ihn noch nicht bemerkt. »Was machen Sie hier?«, fragte er.
    Sie drehte sich langsam um und blinzelte dann, als wäre sie überrascht, sich mitten im Wald wiederzufinden. »Ich … ich weiß nicht.« Als sie ihre Hände ansah und den Schmutz unter den Fingernägeln bemerkte, zog sie die Stirn kraus.
    »Hat van Vleet Sie geschickt?«
    »Ich kenne keinen van Vleet …«
    Ross überlegte. Vielleicht war es ja nur ein unwahrscheinlicher Zufall, dass es eine Schlafwandlerin ausgerechnet in der ersten Nacht seiner Geisterjagd auf das Grundstück verschlug? Auf einmal bedauerte er, dass er sie so barsch angesprochen hatte. »Wonach suchen Sie denn?«
    Die Frau wurde rot, und es sah so aus, als würde sie von innen leuchten. Als sie den Kopf schüttelte, roch er wieder ihr blumiges Parfüm. »Ich habe keine Ahnung. Letztes Mal bin ich im Schlaf auf den Heuboden eines Nachbarn gestiegen.«
    Ross stopfte die Hände in die Hosentaschen. »Ich bin Ross Wakeman«, sagte er.
    Sie sah zu ihm hoch, noch immer fassungslos. »Ich muss gehen.«
    »Nein, wissen Sie, da, wo ich herkomme, antwortet man auf so etwas mit: ›Hallo, ich bin Susan.‹ Oder: ›Hi, ich bin Hannah.‹«
    Ein zartes Lächeln umspielte ihren Mund. »Ich bin Lia«, sagte sie.
    »Und weiter?«
    Sie zögerte. »Beaumont. Lia Beaumont.«
    Jede Faser ihres Körpers war auf Flucht eingestellt. Sie nickte unsicher und wollte sich entfernen. Ross empfand das unerklärliche Verlangen, sie daran zu hindern, und überlegte krampfhaft, was er sagen könnte, um sie zum Bleiben zu bewegen.
    Plötzlich drehte sie sich zu ihm um. »Was tun Sie hier um diese Uhrzeit?«
    »Ich erforsche paranormale Phänomene.« Sie blickte ihn verwirrt an. »Geister«, erläuterte er. »Ich suche nach Geistern. Ehrlich gesagt, ich bin hergekommen, weil ich dachte, Ihr Kragen wäre … na, egal. Sie habe ich jedenfalls nicht erwartet.«
    »Tut mir leid.«
    »Aber nein.«
    Sie neigte den Kopf und musterte ihn eindringlich. »Glauben Sie wirklich, Tote können zurückkommen?«
    »Glaubt das nicht jeder?« Sie sah traurig aus. »Vielleicht sind wir auch jetzt nicht allein.«
    Prompt schaute Lia sich ängstlich um. »Wenn er mich findet …«
    Wer? , wollte Ross fragen, aber da drang ein gellender Schrei aus dem Haus. »Onkel Ross!«, kreischte Ethan. »Onkel Ross, komm schnell!«
    Ross sah zu dem Fenster hoch, in dem kein Licht mehr zu sehen war, weder von der Taschenlampe noch von der Videokamera. Das Blut wich aus seinem Gesicht. »Ich muss gehen«, sagte er zu Lia und rannte los.

    Ethan wusste jetzt, wie Furcht sich anfühlte: wenn einem etwas von allen Seiten die Stirn zusammenpresste und die Beine so heftig zitterten, dass man sich hinsetzen musste, um nicht zu fallen.
    »Ich hatte keine Angst, ehrlich«, beteuerte Ethan. »Ich meine, es war bloß komisch, verstehst du? Weil auf einmal alles dunkel war.«
    Ross saß neben ihm im Wohnzimmer, und das Infrarotvideogerät war an den Fernseher angeschlossen. Der Bildschirm zeigte ein körniges, dunkles Bild mit zuckenden Rändern. Ethan begriff einfach nicht, was daran interessant sein sollte, sich ein Dreistundenband anzusehen, das nur eine Wand zeigte. Und obwohl das anscheinend ein

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