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Zeit der Idioten

Zeit der Idioten

Titel: Zeit der Idioten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Moshammer
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Schuldigen sind tot! Ich will auch all diese Idioten nicht aburteilen, was ihre Persönlichkeiten und Charaktere betrifft, ich rede lediglich von ihren Entscheidungen, anderen ihr eigenes Dilemma um den Hals zu binden. Ich kann wirklich verstehen, dass jemand Schluss machen will, versteht ihr? Wollte ich nur gesagt haben, aber ihr wisst das ohnehin.
    Dylan hat diesen Song geschrieben,
With God On Our Side
, kennt ihr sicher, irgendwie eine Hymne all derer, die ihre persönliche Abrechnung in den Dienst irgendeiner übergeordneten Sache stellen – so was könnte ich schreiben. Oder nein, ich werde den Song als klassische Ballade anlegen:
Der Tag, an dem alle außer mir starben
. Das ist es, oder? Ist das gut? Starben ist ein blödes Wort, oder? Starben. Scheiße. Was soll’s, ich fang einfach bei der Musik an, das machen viele so. Sogar Dylan hat das manchmal so gemacht, wenn auch alle ihn nur auf seine Texte reduzieren wollen.
    Ich gehe nach oben, um mir meine Gitarre zu holen, da habe ich plötzlich eine Vision oder so was: Oben auf der letzten Stufe sitzt Bob! Nicht Bob, der Kellner, nein – Bob Dylan! Sitzt einfach da in seinem edlen Cowboydress inklusive Hut und kaut an einem Zahnstocher herum.
    »Na, Cornelius Fink? Ist ein guter Name, vielleicht schreibe ich mal einen Song über dich, was hältst du davon?«
    »He, äh, ja, super …«, stottere ich vor mich hin.
    »Hast du Probleme mit deinem Song?«
    »Nein … ja! Ja, Bob«, sage ich. Habt ihr gehört, ich habe Bob zu ihm gesagt!
    »Du darfst einen Song niemals zwingen.«
    »Was?«
    »Du darfst einen Song niemals zwingen.«
    »Oh, ja. Sicher, danke.«
    »Nein, du verstehst mich nicht. Du darfst ihn nicht zwingen oder in Frage stellen. Ein Song ist wie eine Frau, die du siehst und unbedingt haben willst. Sie ist wunderschön und du kannst deine Augen nicht von ihr lassen. Sie spricht in Worten zu dir, die du noch nie gehört hast, aber du verstehst jede Nuance ihrer Rede, du spürst ihre Liebe oder was auch immer es sein mag, was da zwischen ihren Zeilen mitschwingt, dich in Trance versetzt und beinahe wahnsinnig macht. In ihren braunen, tiefen Augen siehst du deine Zukunft, eine erträgliche oder möglicherweise sogar glückliche, sinnvolle und befriedigende Version eines Lebens, das dir
mit
ihr oder
durch
sie beschieden sein könnte. Du weißt aus irgendeinem unerklärlichen Grund, dass diese Frau für dich da ist. Sie steht vor dir, der Wind streicht durch ihr Haar, und plötzlich hörst du Musik. Neue Musik. Du weißt, das ist keine von irgendjemandem komponierte Musik, sie ist frei und steht dir zur Verfügung. Nur du kannst sie hören, niemand sonst. Nicht einmal ich oder ein anderer der Götter, an die sie dich glauben gemacht haben. Wären all jene tatsächlich Götter, würden sie keine Songs schreiben, nein, sie würden an nichts glauben, keine Ängste, Sorgen oder Probleme haben, sie wären absolut und nicht erkennbare Namenlose. Keine wunderbaren, schwierigen Wesen. Deine Götter sind auch nur Idioten, die wollen und scheitern, nach etwas streben und versagen. Aber ich schweife ab – bleiben wir bei dieser Frau. Sie streckt ihre Hand aus, in deine Richtung. Sie fordert dich auf, sie zu berühren, sie zu nehmen. Du zögerst nicht, bist bereit. Du weißt, dies ist
deine
Chance. Du fasst nach ihrer Hand, doch im selben Moment, in dem du ihre weiche Haut greifst und alles, was auf so magische Weise von ihr ausgegangen ist, jetzt tatsächlich in dich zu fließen scheint, weht ein plötzlicher Windstoß ihr die Haare vom Kopf und auf ihrer glattrasierten Kopfhaut kommen kleine, feuchte, eiternde oder blutige Wunden zum Vorschein. Oder eine seltsame, große, mystische Tätowierung. Oder eben irgendetwas anderes Störendes oder Abstoßendes. Sie hält deine Hand fest, du kannst sie haben, aber der Zweifel übermannt dich und du beginnst, dir Gedanken zu machen: ›Ich will sie so wie vorher, sie muss einfach so wie vorher sein‹, ›Hat sie Aids, muss ich sterben?‹, ›Was werden die anderen sagen?‹, ›Ist sie Anhängerin eines radikalen, religiösen Kults?‹, ›Warum passiert immer mir so was?‹ Du weißt schon, das Übliche. Naja, und dann ist sie weg. Und mit ihr die Musik und einfach alles. Alles weg und du stehst wieder am Anfang. Verstehst du das, Cornelius Fink?«
    »Ich denke schon.«
    Und dann singt er. Bob Dylan singt für mich!
    »Cornelius Fink, he had a coat.
He wore a coat, oh yeah.
He was so happy wearing his coat.
He had a

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