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Zeit der Idioten

Zeit der Idioten

Titel: Zeit der Idioten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Moshammer
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coat, oh yeah!«
    Danke. Genau dieses Gerede brauche ich jetzt. Eine Predigt. Ein schönes, esoterisches Gleichnis mit einem scheiß Schluss und einem netten Liedchen voll weiser Metaphorik als Zugabe. Danke. Vielen herzlichen Dank, Spongebob Dylan!
    Es ist Anfang Juni, aber eigentlich bereits Hochsommer. Man kann sich nicht mehr auf die guten, alten Jahreszeiten verlassen, was soll’s. Die Sonne wirft ihre flache Wärme in fetten Strahlen auf die Veranda, so grob, dass es beinahe schmerzt. Als ob sie mir sagen wollte: So eine Vision gibt’s nur einmal im Leben, du Vollidiot! Wahrscheinlich hat sie Recht. Ich meine, ich bin nicht betrunken oder so, und ich habe mir das jetzt auch nicht eingebildet, versteht ihr? Ich nehme meine Gitarre und spiele einen G-Dur-Akkord. Sozusagen gegen die Sonne, um ihr klarzumachen, dass ich … was weiß ich. Die Gitarre ist leicht verstimmt, das macht aber nichts. Ich spiele noch einmal den G-Dur-Akkord und wechsle dann – ha! – nicht auf D-Dur, nein, nicht das Naheliegende ist des Künstlers Ding, wie Meine Wenigkeit bemerkt hat – nein, ich wechsle offensiv auf C-Moll.
    Jessasmarandjosef, ich bin so leer! Wenn ihr an der Existenz einer Wüste mitten in Niederösterreich zweifelt, dann müsstet ihr mich jetzt sehen. Ich lege die Gitarre zur Seite und blicke um mich. Es ist wunderschön hier. Wirklich. Wenn Bölling auch nur ein blödes Kaff ist, das sich um eine einzige Hauptstraße herum drängt, als ob die Häuser und Höfe Angst hätten, zu weit ins Abseits zu geraten, wenn auch das Happy Shopping Center das neue Wahrzeichen dieses ruralen Muttermals auf dem Rücken der sich windenden Erde zu sein scheint, wenn in diesem Land auch nichts mehr so ist, wie es war oder sein sollte, alle in Angst, Schock und Terror gefangen sind und nicht wissen, wie es weitergehen soll, so habe ich, Cornelius Fink, doch meine kleine Erkenntnis. Ich nehme die Gitarre zur Hand, stehe auf, spiele G, C und dann D und singe aus vollem Hals.

5. JOHANNA
    Wenn jeder Mensch ein potentieller Mörder ist,
dann ist jeder Mensch erst recht
ein potentieller Selbstmörder.
    Es war dann doch wieder nur
Like A Rolling Stone
, was soll’s. Sarah ist erst am Abend nach Hause gekommen, weil sie Nachmittagsunterricht hatte, sie hat kein Wort mit mir gesprochen. Doch – sie hat gemeint, ihre Lehrerin würde sich gerne einmal mit mir unterhalten. Kein Interesse, habe ich gesagt. Und das stimmt. Ich geh doch nicht da hin, um mich von der Frau maßregeln zu lassen. Nein, danke.
    Jetzt ist es elf, ich schau noch kurz im Fiesta vorbei. Bob, der Kellner, sieht mich gleich und winkt mich zu sich. Er hat keine Ahnung, in welches Dilemma er mich hineingeritten hat, und ich werde ihm selbstverständlich nichts davon erzählen, sonst fühlt er sich gleich wie mein Manager oder verlangt eine Beteiligung.
    »He, Cornelius, hast du über meine Idee nachgedacht?«
    »Äh … welche Idee, Bob?«
    »Na, ich hab dir doch gesagt, du solltest diesen Song schreiben, weißt du nicht mehr? Du musst das einfach tun, das ist deine Chance.«
    »Also weißt du, Bob, was glaubst du, woran ich seit damals arbeite?«
    »Du meinst also, du hattest die Idee schon vor mir?«
    »Naja, ich bin Songschreiber, Bob, verstehst du?«
    »Hmm …«
    Ich bestelle ein Bier und setze mich an die Bar. Immer, wenn ich im Fiesta sitze, hoffe ich, dass keiner mich anspricht – keiner von den Idioten, die ich von früher kenne. Mit dem alten Hermann hätte ich eigentlich kein Problem, aber der spricht nur Leute an, die seine Geschichte noch nicht kennen. Und Bob quasselt mich ohnehin immer voll. Ansonsten will ich meine Ruhe haben und keinen Kontakt. Natürlich haben sie mir alle schon die Schulter geklopft und versichert, wie froh sie wären, dass ich es geschafft habe, dass der Gstettner Franz immer schon ein Vollidiot gewesen wäre und das alles; ich unterstelle ihnen auch nicht, dass sie es nicht ernst meinen, aber irgendwas nervt mich ungemein an den Böllingern. Vielleicht ist es die Ruhe, die von ihnen ausgeht. Keine wirkliche Ruhe, mehr so eine Wurschtigkeit oder Sicherheit – ja, es ist diese vermeintliche Sicherheit, in der die Böllinger sich wiegen, so eine gemütliche Arroganz.
    »Haben Sie es auch satt, immer draufzuzahlen und ordentlich zu arbeiten, während andere sich die Rosinen aus unserem Kuchen picken?«
    »Wie bitte?«
    »Ich habe mich sehr amüsiert heute.«
    »Entschuldigung, was?«
    »Johanna Fasching, ich bin Sarahs

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