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Zeit der Idioten

Zeit der Idioten

Titel: Zeit der Idioten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Moshammer
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Deutschlehrerin.«
    »Oh, ich, äh, Cornelius … Fink.«
    »Ja, ich weiß. Sie haben meinen Tag gerettet.«
    »Ich habe was? Wieso?«
    »Naja, das war ein Experiment. Sie glauben doch nicht wirklich, dass ich von zwölfjährigen Kindern Strategien gegen den Terrorismus erwarte. Ich hatte gehofft, dass die Eltern reagieren und mir so die Chance geben würden, sie irgendwie besser kennenzulernen, verstehen Sie?«
    »Ja, natürlich. Und, war es ein Erfolg, Ihr Experiment?«
    »Mehr als das. Ich habe jetzt nicht nur eine Ahnung von den Eltern, die meisten haben sich fast geoutet.«
    »Ach ja? Und als was habe ich mich geoutet?«
    Sie lächelt und bestellt sich ein Bier. Der ewige Bob zwinkert mir zu wie ein gehirnamputierter, bester Freund. Warum können einen die Leute nicht einfach in Ruhe lassen?
    »Als intelligenter, origineller, zynischer, vom Leben enttäuschter Mann. Prost.«
    »Was? Prost. Ich bin aber nicht zynisch.«
    »Das sagen alle Zyniker. Wissen Sie, ich denke, jeder hält sich im Grunde genommen für einen Realisten. Das kommt daher, dass jeder seinen individuellen Wahrnehmungstunnel als Realität versteht. Deshalb halten die Pessimisten die Optimisten für Idioten und umgekehrt, verstehen sie? Und die Zyniker halten eben alle für Idioten.«
    »Wenn Sie meinen.«
    Individueller Wahrnehmungstunnel, Jessas!
    »Wie geht es Ihnen, Herr Fink?«
    »Was meinen Sie?«
    »Alle sagen immer, Sie hätten nicht die Spur eines Traumas, das kann ich mir aber nicht vorstellen.«
    »Sagen wir, ich wache in der Nacht nicht schweißgebadet auf oder so.«
    »Aber?«
    »Aber was?«
    »Hat nach aber geklungen.«
    »Naja, irgendwie hält nicht das Erlebnis selbst, sondern mehr das Thema mich gefangen.«
    »Wie äußert sich das?«
    Ich schaue ihr direkt in die Augen, nur um kurz abzuchecken, ob sie sich wirklich dafür interessiert oder nur auf Smalltalk aus ist. Sie hat braune Augen, wie Sarah. Wirklich. Und wie es sich für einen durchschnittlichen, westlichen Erdenmann geziemt, vergleiche ich sie sofort mit einer Filmschauspielerin. Das ist wie ein Zwang oder so. Es nervt, aber jeder scheint das zu tun. Wisst ihr, die Neugier ist eine der attraktivsten menschlichen Eigenschaften, aber was ist mit ihr geschehen? Was soll’s, die Augen dieser Johanna machen mich neugierig. Sie sieht aus wie Julianne Moore. Also gut, ich rede.
    »Sarahs Mutter hat mir erzählt …«
    »Das ist echt verrückt, dass Ihnen das passiert ist, und dann Sarahs Mutter bei einem ähnlichen Vorfall stirbt, mein Gott.«
    »Ja, aber das Verrückte ist irgendwie verrückt, wenn Sie verstehen, was ich meine, es ist das Normale geworden. Jedenfalls hat sie mir erzählt, dass, wie sie schwanger war, ihr plötzlich nur noch schwangere Frauen und Kinderwägen aufgefallen sind. Es waren nicht mehr als vorher um sie herum, aber ihre Wahrnehmung hat sich verändert. Bei mir ist das ähnlich. Ich glaube, meine Wahrnehmung hat sich einfach verschoben. Sie ist ver
rückt
, wenn Sie so wollen. Und jetzt fallen mir immer und überall diese Idioten auf, ich sammle Informationen über Anschläge und so. Und ich schreibe unpassende Schularbeiten für Sarah.«
    »Soll ich Ihnen was verraten? Sie waren der Einzige.«
    »Wundert mich nicht.«
    »Darum habe ich’s vorgelesen. Sarah war das furchtbar peinlich, aber ich sag Ihnen was: Die meisten der Kinder finden es cool, dass Sie Sarahs Papa sind. Auf irgendeine Weise. Sie haben zwar Worte wie ›schräg‹ oder ›durchgeknallt‹ in den Mund genommen, aber in Wahrheit, und davon bin ich überzeugt, sehen sie in Ihnen einen Held.«
    Unser Gespräch ist ungewöhnlich leicht, ungezwungen und sinnvoll. Sie bestellt sich noch ein Bier und geht dann aufs Klo. Bleibt selbstverständlich beim alten Hermann hängen und wirft mir immer wieder ratlose Blicke zu, die mich zum Lachen bringen. Bob reißt mich gnadenlos aus der naiven Glückseligkeit dieses wortlosen Dialogs heraus.
    »Du solltest sie öfter sehen, das würde dir gut tun. Glaub mir, ich kenn mich da aus.«
    »Danke, Bob.«
    »Sie sieht aus wie Julianne Moore, findest du nicht?«
    »Weiß nicht.«
    »Doch, sie sieht aus wie Julianne Moore, und zwar in … wie heißt der Film noch gleich?«
    Johanna kommt vom Klo zurück. Bob verzieht sich in den Hintergrund und wischt Gläser, als ob er selber in einem blöden Film spielen würde.
    »Das war jetzt so was wie ein Böllinger Initiationsritus«, deute ich auf den Hermann.
    »Verstehe, der arme Kerl. Haben Sie eigentlich

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