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Zeit der Idioten

Zeit der Idioten

Titel: Zeit der Idioten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Moshammer
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gelungen. Ich weiß zwar nicht, ob sie es verstanden hätten, aber was soll’s. Es interessiert euch? Na gut, hier ist es:
    Liebe Kinder!
    Ihr wisst es wahrscheinlich nicht, aber ihr werdet ausgebeutet. Ihr wisst es wahrscheinlich nicht, aber die meisten eurer hübschen HELDEN, denen ihr so nacheifert, seien es wunderhübsche Sängerinnen oder coole Rockbands, werden auch ausgebeutet. Und zwar von denselben Geschäftemachern. Die interessieren sich nicht einmal für Musik oder für Kunst. Das sind eiskalte Finanzexperten, die der Meinung sind, Kinder und Jugendliche wären Vollidioten. Sie halten euch für die geborenen OPFER, und in gewisser Hinsicht haben sie sogar Recht.
    Ihr wisst es wahrscheinlich nicht, aber es gibt vor allem eine Sache, die euch von den Erwachsenen unterscheidet: Ihr seid begeisterungsfähig. Ihr wisst es wahrscheinlich nicht, aber die meisten Erwachsenen haben keine TRÄUME mehr. Sie sind alle vernünftig geworden und haben alles aufgegeben oder verloren, woran sie früher einmal geglaubt haben. Und sie beneiden euch um genau diese Dinge und hassen euch, weil es ihnen weh tut, sich durch euch mit diesen Dingen wieder konfrontieren zu müssen.
    Vielleicht unterschätze ich euch. Vielleicht wisst ihr das alles schon, weil ihr den verdammten
Kleinen Prinzen
gelesen habt oder sonst ein Buch. Nur eins wisst ihr bestimmt nicht. Nämlich, dass genau diese Geschäftemacher über euch bestimmen. Sie machen euch glauben, dass ihr das Sagen habt. Dass ihr bestimmt, wer es in die Top Ten der Charts schafft. Sie machen euch glauben, dass ihr euch aussucht, welcher Style am Besten zu euch passt, welche Schauspieler wirklich gut, welche Filme wirklich sehenswert und welche Platten wirklich wichtig sind. Sie machen euch glauben, dass Fernsehserien die Realität zeigen, und dass die Stars auf MTV es geschafft haben und Vorbilder sind. Ihr wisst es wahrscheinlich nicht, aber all dies hat genau EINEN ZWECK: Die Konten dieser Geschäftemacher noch fetter und ihre Firmen noch größer zu machen.
    Ihr wisst es wahrscheinlich nicht, aber ihr müsst dabei nicht mitspielen! Ihr könnt NEIN sagen! Ihr habt die Freiheit zu denken und euch etwas auszusuchen! Richtige Songs. Richtige, reale Kunst von richtigen, realen Menschen. Ihr wisst es wahrscheinlich nicht, aber JETZT wisst ihr es!
    Was soll ich sagen, ich hab’s nicht getan. Ich habe es nicht vorgelesen. Diese Christina Stürmer ist so nett, so symphatisch. Die hat mir einfach den Wind aus den Segeln genommen, versteht ihr? Die meint es irgendwie ernst. Die hat mich begrüßt, als ob sie mich auch ernst nehmen würde. Und sie hat sich mit Sarah unterhalten, mehrere Minuten lang. Und Sarah, meine Sarah, mein Gott, hat gestrahlt wie ein Christbaum. Die haben mir einen Gitarrenverstärker geborgt und in meiner Garderobe hat eine Wurst-Käseplatte mit Weintrauben, Cola und Bier auf mich gewartet. Sicher, das sind keine Zwerge in Leberpastete, aber die waren wahrscheinlich in ihrer Garderobe. Jessas, ich hab’s einfach nicht geschafft. Ich habe mir vorgestellt, dass die viertausend Kinder im Publikum lauter kleine Sarahs wären, die wie sie strahlen, wenn ihre Heldin die Bühne betritt. Dabei wollte ich denen allen zeigen, was echter Rock’n’Roll bedeutet, aber ich bin nur in meiner Garderobe gestanden und habe Sarah mit Christina Stürmer fotografiert. Wie ein blöder Vater. Ich wollte mich doch auf diese Bühne stellen und ihnen klarmachen, dass sie alle auf dem Holzweg sind, aber … Ich weiß auch nicht, ich hab’s einfach nicht getan.
    Ich bin da rausgegangen, völlig verunsichert. Der Verstärker war bis zum Anschlag aufgedreht. Es war ein Marshall. Sein Brummen allein war laut genug, um den restlichen Abend auf beeindruckende Weise zu bestreiten. Dann habe ich ganz langsam den Volumeregler meiner Gitarre von Null auf Eins und dann auf Zwei bewegt. Ich stand mit dem Rücken zum Publikum, direkt vor dem Marshall, der ein Quietschen von sich gab, als ob tausend Katzen in ihm gefangen gewesen wären. Ich hatte keine Ahnung, was ich spielen sollte. Ich habe ein paar von meinen alten Songs vorbereitet, aber der Marshall hat mich inspiriert. Ich dachte, ich könnte so was machen wie Neil Young auf
Arc
, versteht ihr? Eine wüste Feedbackorgie, die alles auf den Punkt bringt. Ich dachte mir, ich müsste mein Pamphlet musikalisch ausdrücken. Also habe ich den Volumeregler auf Sieben oder Acht gedreht und begonnen, die Österreichische Bundeshymne anzudeuten. Der

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