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Zeit der Idioten

Zeit der Idioten

Titel: Zeit der Idioten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Moshammer
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zuckt nur mit den Schultern.
    »Äh, Cornelius …«
    »Ja?«
    »Das ist Manfred, mein Geselle.«
    »Aha.«
    Manfred nickt mir zu.
    »Also, er macht das jetzt.«
    »Wie, Sie haben doch gesagt …«
    »Ja, ich weiß. Das ist mir echt unangenehm, aber er ist jetzt wieder da …«
    »Was soll das heißen?«
    Er fasst mich am Arm und zieht mich hinaus.
    »Hör zu, mein Junge. Der Manfred hat ein Alkoholproblem, er säuft wie ein Loch. Aber er ist ein guter Bäckergeselle. Er ist seit über zwanzig Jahren bei mir. Und jetzt geht’s ihm wieder besser. Und ich brauche ihn, verstehst du?«
    »Aber Sie wissen doch, was bei mir auf dem Spiel steht. Sie wissen doch, welche Überwindung es mich gekostet hat, überhaupt hierher zu kommen. Ich meine, Sie haben mir den Job gegeben, Jessasmarandjosef …«
    »He, ich weiß das alles. Aber sei ehrlich, du bist kein Bäcker und willst auch keiner werden. Sobald du was für dich Passendes gefunden hast, gehst du hier raus und ich steh wieder alleine da. Ich kann mir das nicht leisten.«
    »Aber die nehmen mir mein Kind weg, wenn ich den Job verliere.«
    »Der Manfred geht vor die Hunde, wenn er keinen Job hat. Und der ist zweiundfünfzig. Du bist noch jung, Cornelius.«
    Ach ja, bin ich das?
    »Können Sie uns nicht beide beschäftigen? Ich kann ja der Lehrling sein, der die Drecksarbeit macht, das würde mir nichts ausmachen. Ich putze eben die Backstube, Herrgottnochmal!«
    »Cornelius. Ich glaube dir das. Du bist ein guter Mensch. Aber ich kann es mir nicht leisten, zwei Angestellte zu haben. Da zahl ich nur drauf, verstehst du? Da habe ich nur Kosten, das geht einfach nicht …«
    »Okay, ich hab’s geschnallt. Wär ja auch zu einfach gewesen. Scheiße, ich geh jetzt!«
    »Sei mir nicht böse, Cornelius.«
    »Jaja, schon gut. Als ob’s darum gehen würde. Erzählen Sie das der Sarah oder den Idioten vom Jugendamt, Jessas!«
    »Wenn du was brauchst, sag’s mir …«
    »Das habe ich schon!«

13. SNAKE PT. 2
    Der Böllinger bleibt, statt ein Held zu werden,
lieber ein Böllinger.
    Ich laufe. Einfach so, um meiner Wut Platz zu schaffen. Ich laufe und denke Sachen wie: Ich hätte es wissen müssen. Warum nur habe ich plötzlich an das Gute und an eine Zukunft geglaubt? An eine Ordnung oder an Gerechtigkeit? Ich Idiot. Ich naiver, blöder Idiot! Wahrscheinlich wegen Andrea. Sex oder sei es auch nur die Aussicht auf Sex oder die Erinnerung daran – Sex macht dich immer glauben, den Sinn des Lebens erfasst zu haben, er dreht alles um und schüttelt dich durch, bis alles andere wie ausgelöscht ist. Sex ist
die
Religion, sage ich euch, aber ich glaube nicht! Und ich will auch nicht glauben!
    Die Tussi vom Jugendamt hat angekündigt, sie hätte morgen früh um acht einen Termin mit dem Bäcker. Also in fünf Stunden. Das heißt, Sarah wird danach wahrscheinlich von der Schule abgeholt und zu ihren Großeltern gebracht werden. Sie wird mich endgültig von sich weisen und von allen darin bestätigt und unterstützt werden. Und ihr heiliger Papa wird als Held in ihr Leben reiten, auf einem weißen Pferd, und endlich Licht in ihr Dunkel bringen.
    Ich werde mich jetzt besaufen. Mich volldröhnen, ohne an meinen beschissenen Vater zu denken. Das tun, wofür ich anscheinend geschaffen bin – genau so ein Idiot zu werden, wie er einer ist. Das ist es doch, was sie wollen, oder? Du sollst Vater und Mutter ehren. Also gut, ich werde sie ehren und es ihnen gleichtun. Ich bin geschaffen nach ihrem Ebenbild. Oh, ihr heiligen Gene, wir beten euch an!
    Ich werde zu Snake gehen und mich mit ihm volllaufen lassen. Der versteht mich sicher. Er ist nämlich der einzige Mensch in Bölling, dessen Horizont über diese blöden Hügel hinausreicht. Und das, obwohl er nie auch nur einen Schritt aus diesem Kaff gesetzt hat. Ist das nicht unglaublich paradox und ironisch? Das ist es: Ironie oder von mir aus Zynismus ist die Grundlage von allem. Von allem!
    Von weitem sehe ich Blaulichter vor Snakes Haus. Ich laufe schneller. Jessas, sie wird es doch nicht getan haben, oder? Nein. Sie hat es getan. Das gibt’s nicht. Sie hat es tatsächlich getan. Da stehen zwei Polizeiautos, St. Pöltner Kennzeichen, Rettung, Fotografen, Journalisten und ein paar Schaulustige. Ich laufe hin und dränge mich durch.
    »Lassen Sie mich da rein«, sage ich.
    Ich bin völlig verschwitzt. Ein Polizist hält mich auf und fragt nach meinem Ausweis. Ich habe keinen.
    »Da darf keiner rein, das Haus wird gerade durchsucht.«
    »Wo ist

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