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Zeit der Raubtiere

Zeit der Raubtiere

Titel: Zeit der Raubtiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Klaussmann
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Liebespaar?«
    »Ja«, antwortete Nick. Sie fühlte sich frech und mondän. »Aber auch verheiratet.«
    »Das ist eher selten«, sagte der Mann feixend.
    »Allerdings«, meinte die Frau. »Und deswegen haben Sie sich den Tisch von Bogart und Bacall verdient.«
    »Aber wir wollen Ihnen keine Umstände machen«, sagte Nick.
    »Ach was.« Der Mann ergriff seinen Scotch und den Champagnercocktail der Frau.
    »Meine Frau hat Sie ja richtig behext«, sagte Hughes. »Nick …«
    »Es wäre uns ein Vergnügen«, versicherte die Frau. »Und sie hat ja auch wirklich etwas Bezauberndes.«
    Nick sah Hughes an, der ihr zulächelte.
    »Das stimmt«, sagte er. »Also, dann komm, Liebling. Alles setzt sich für dich in Bewegung.«
    Der Martini, der ihnen kurz darauf serviert wurde, erinnerte Nick ans Meer und an das Haus auf der Insel: sauber, salzig und durch und durch vertraut.
    »Das ist das köstlichste Abendessen meines Lebens, Hughes. Von jetzt an gibt es für mich nur noch Martinis, Oliven und Sellerie.«
    Hughes legte seine Hand an ihre Wange. »Mir tut das Ganze schrecklich leid.«
    »Was soll das? Schau doch, wo wir hier sind!«
    »Ich lasse jetzt die Rechnung kommen.« Hughes winkte dem Kellner.
    »Ist alles in Ordnung, Sir?«
    »Alles bestens. Wir hätten gern die Rechnung.« Hughes schaute die Tür an. Nicht Nick, nicht ihr rotes Kleid oder ihr glänzendes schwarzes Haar, das sie während der ganzen Zugfahrt von Cambridge bis zur Penn Station mit einem Haarnetz hatte schützen müssen.
    Der Kellner eilte davon.
    Nick fingerte an ihrer Handtasche herum, weil sie Hughes nicht ansehen wollte. Das Paar, das mit ihnen den Platz getauscht hatte, war gegangen, aber im Aufstehen hatte die Frau Nicks Schulter gedrückt und ihr zugezwinkert. Nick versuchte, nicht weiter darüber zu grübeln, was Hughes wohl gerade dachte. Es gab so viel an ihm, was sie im Grunde nicht kannte. Am liebsten hätte sie ihn einmal direkt darauf angesprochen, ihn mit einer einzigen blitzschnellen Bewegung aufgeschlitzt und in ihn hineingeschaut, aber sie spürte fast körperlich, dass es der falsche Weg gewesen wäre.
    »Sir, Madam.« Nick hob den Blick. An ihrem Tisch war ein Mann aufgetaucht, der an ein Walross erinnerte. »Ich bin der Geschäftsführer. Stimmt etwas nicht?«
    »Es ist alles in Ordnung«, sagte Hughes und sah sich, offenbar den Kellner suchend, um. »Ich habe nur um die Rechnung gebeten …«
    »Ach so«, sagte das Walross. »Nun, dann wissen Sie womöglich nicht« – er legte eine Pause ein, um die Aufmerksamkeit ganz auf seinen Zwirbelbart zu lenken –, »dass das Essen am heutigen Abend für Angehörige der Navy auf Kosten des Hauses serviert wird.«
    »Wie bitte?«, sagte Hughes.
    »Was darf ich Ihnen bringen, mein Sohn?«, fragte das Walross grinsend.
    Nick lachte. »Ein Steak, ja, bitte, bitte ein Steak!« Und alles um sie herum war vergessen.
    »Ein Steak für die Dame«, wiederholte das Walross, den Blick unverwandt auf Hughes gerichtet.
    Hughes grinste, und plötzlich sah Nick in ihm, der als verschlossener Mann zu ihr zurückgekommen war, wieder den Jungen, den sie geheiratet hatte. Einen Jungen mit Stehkragen und perfekt gedämpfter blauer Uniform. Und ihr gemeinsames Dilemma, das sich in nichts von dem der anderen unterschied.
    »Ein Steak – falls sich eines auftreiben lässt in dieser Stadt. Beziehungsweise im ganzen Land«, sagte Hughes. »Ich wusste nicht, dass es die noch gibt.«
    »Im 21 Club haben wir sie noch, Sir, wenn auch nicht in der früheren Qualität.« Das Walross gab dem Kellner mit schnalzenden Fingern ein Zeichen. »Noch zwei Martinis für diesen Marineangehörigen!«
    Danach hatten sie wieder mit den Flöhen zu kämpfen. Hughes sagte, er sei müde vom Steak. Nick legte ihr rotes Kleid zusammen und zog das schwarze Nachthemd an, das er in der Dunkelheit gar nicht sehen würde. Sie lag im Bett und lauschte dem Lärm der Arbeiter, die das Schiff im Dock reparierten. Dem dumpfen Hämmern auf Stahl.
     
    Gleich hinter Newark beschloss sie, in den Salonwagen zu gehen. Sie hatte drei hartgekochte Eier und ein Schinkensandwich eingepackt, um nicht drei Dollar für ein Abendessen im Speisewagen ausgeben zu müssen. Aber den Verlockungen der Bar, die mit allen »neuen Drinks« warb, konnte sie nicht widerstehen. Fünfzig Cent hatte sie für Extrakosten eingeplant.
    Der Havana Special. Kein Ehemann, keine Mutter, keine Cousine – sie war völlig anonym. Sie strich den grauen Rock glatt und trug

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