Zeit der Raubtiere
sichtlich zur Verzweiflung. Nick lauschte den Duschgeräuschen und versuchte, nicht ans Abendessen zu denken, das sie wieder einmal nicht in Angriff genommen hatte. Außerdem versuchte sie, nicht an ihren Mann zu denken, der selbst zu etwas Rationiertem geworden war.
Die Bläser der Jazzband setzten ein. Nick planschte mit dem Fuß rhythmisch gegen die beginnende Flut an, spritzte sich die Wade mit Kanalwasser nass. Ihre Augen waren geschlossen, und der gelbe Badeanzug verlor allmählich die Hitze, mit der er sich den Nachmittag über beim Sonnen aufgeladen hatte. Vom Wasser her kam leichter Wind auf. Sie hörte ein kleines Ruderboot vorbeifahren.
Im Haus wurde das Wasser abgestellt. Abgesehen von der Musik und den Kindern ein paar Häuser weiter, die sich beschwerten, weil man sie zum Essen rief, war alles still. Nick drehte das Gesicht nach Westen, um die letzte Hitze des Tages auf ihrer Wange einzufangen.
»Hallo.«
Sie hob erschrocken den Kopf, beschattete die Augen und sah Hughes auf dem Rasen stehen, frisch geduscht und in dem weißen Hemd, das sie am Vormittag gebügelt hatte.
»Soll ich dir einen Drink machen?«, fragte sie, ohne sich zu bewegen.
»Nein, das mache ich schon selbst.« Hughes ging zu der Tiki-Bar hinüber, nahm eine Flasche billigen Gin aus dem Schrank, goss zwei Finger hoch davon in einen Tumbler.
»Gibt kein Eis hier draußen«, sagte Nick. »Zu heiß.« Sie legte den Kopf auf die warmen Bretter zurück und schloss wieder die Augen.
»Du hast doch nicht etwa vergessen, dass Charlie und Elise heute zum Essen kommen?« Es klang leicht resigniert, so als wüsste er schon, dass sie es vergessen hatte, als könnte es gar nicht anders sein. Als würde sie immer nur alles vergessen und sich nie etwas merken.
Nick erstarrte, aber sie hielt die Augen geschlossen.
»Wer? Ach ja, deine Freunde«, sagte sie. »Nein, hab ich nicht vergessen.« Sie hatte es vergessen. »Ich habe Krabben direkt vom Krabbenkutter gekauft.«
Hughes seufzte in sein Glas hinein.
»Ich weiß, sie hängen dir schon zum Hals raus, aber bei einem Dollar pro Eimer können wir uns bis zum nächsten Gehaltsscheck einfach nichts anderes leisten.« Nick stand auf und klopfte sich den Staub ab. »Besonders wenn Gäste kommen.«
»Hast du nicht gesagt, du würdest gern öfter Leute zum Essen einladen?«, fragte Hughes leise.
Er stand mit seinem Glas in der Hand vor ihr. Sein blondes Haar war dunkel vom Duschen, und die sinkende Sonne beleuchtete ihn von hinten. Nick fand, dass es aussah, als würde er sich in Kampfstellung bringen.
»Ja, stimmt«, sagte sie. »Dass ich das gesagt habe, meine ich. Aber ich kenne die beiden doch überhaupt nicht, Liebling, und du …« Sie verstummte, als sie sah, dass Hughes sie betrachtete, als wäre sie ein geistig zurückgebliebenes Kind.
Und wieder kam das seltsame Gefühlsgemisch in ihr hoch, das sie inzwischen so gut kannte. Am liebsten hätte sie ihm das Glas aus der Hand genommen und es ihm ins Gesicht geschlagen, ihm die Haut damit zerschnitten. Aber gleichzeitig hätte sie gern um Vergebung gebeten und gern Vergebung erhalten, so wie in ihrer Kindheit, wenn sie zur Strafe draußen in der Kälte gewesen war und ihre Mutter sich plötzlich wieder gnädig zeigte.
»Egal«, sagte sie. »Ich gehe jetzt rein und mache das Abendessen. Welche Zeit habt ihr vereinbart?«
»Punkt acht«, sagte Hughes.
Nick ging nicht hinein und machte das Abendessen, sondern stellte sich rauchend vor den Kühlschrank und inspizierte in der ausströmenden kalten Luft das Gemüsefach. Gurkensalat, beschloss sie. Der passte gut zu Meeresfrüchten. Sie machte die Tür wieder zu und lehnte sich dagegen. Sie sah an ihren Beinen hinunter, die von der täglichen Sonnendosis allmählich braun wurden. Den Badeanzug hatte sie für ein kleines Vermögen in der Stadt kaufen müssen, weil sie nicht gewusst hatte, dass es auch im Winter noch so heiß war. Auf ihrer Insel im Norden war die Sonne jetzt schon trüb und verblichen, und der Badeanzug hätte schon längst zum Überwintern in der Zedernholztruhe gelegen.
Als sie hörte, dass Hughes den Plattenspieler abstellte und Richtung Küche ging, machte sie sich an den Krabben zu schaffen, begann die rosigen Halbmonde zu pulen und zu entdarmen. Früher hatte sie so gern Krabben gegessen. Jetzt gab es sie fast jeden zweiten Tag.
»Schalt doch mal das Radio ein«, sagte Hughes.
Sie hob ihre glitschigen Hände. »Mach du’s, ich will nicht, dass etwas
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