Zeit der Skorpione: Laura Gottberg ermittelt (German Edition)
Finanzpolizei auf den Hals gehetzt, weil er fand, seine Banca libera sei zu erfolgreich, als dass es mit rechten Dingen zugehen konnte. Es musste ja nur irgendeiner Mafia und Geldwäsche oder Steuerhinterziehung schreien, dann gab es sofort Hausdurchsuchungen … jetzt, da alles anders werden sollte in Italien.
Er hätte nicht allein hierherkommen dürfen, ohne Haushälterin, ohne irgendeinen Zeugen, der für ihn bürgen konnte. Derzeit war alles möglich. Er hatte nur nicht geglaubt, dass auch in seinem Fall alles möglich sein könnte. Er hatte sich ziemlich sicher gefühlt. Außerhalb der üblichen Spiele.
Gerade, als er sich umdrehen und den steilen Pfad zum Dorf einschlagen wollte, hörte Paolo Massimo ein Räuspern, irgendwo rechts, hinter seinem Rücken. Er wollte nicht herumfahren, aber er fuhr herum. Sein Körper reagierte ganz ohne sein Zutun.
Rechts von ihm stand ein Mann in Regenjacke und Gummistiefeln. Ein großer, schlanker Mann mit dichten, dunklen Haaren und hellen Augen, die nicht zu seinem Haar passten. Er war vielleicht Mitte, Ende vierzig. Und nicht aus dem Dorf – vermutlich einer von den Schnüfflern. Jedenfalls sahen die Schnüffler im Fernsehen aus wie er, und die echten schienen sich diesen Vorbildern immer mehr anzupassen. Jetzt räusperte der Mann sich ein zweites Mal.
«Dottor Massimo, nehme ich an.» Die Stimme klang freundlich, dunkel und ein bisschen ironisch.
«No, sono Dottor Livingston», parierte Massimo leicht verächtlich. «Und das hier ist der Kongo.» Ironie konnte er auch.
Der Unbekannte lächelte und deutete eine Verbeugung an. «Angelo Guerrini, Commissario. Ich weiß Ihre Antwort zu schätzen, Dottor Massimo.»
«Das freut mich.» Offenbar hatte er die Anspielung auf die berühmte Begegnung der britischen Entdecker in Afrika verstanden. «In Ihrer Funktion als Commissario können Sie mir sicher erklären, was in meinen Gärten vor sich geht?»
«Ja, das könnte ich.»
«Könnte?»
«Ja, könnte. Ich ziehe es aber vor, das etwas später zu tun, und möchte Sie bitten, mit mir ins Haus zu kommen.»
«In mein Haus, Commissario, das wollten Sie doch sagen, oder?»
Der Blick des Commissario glitt über Massimos schmutzige Jacke, seine Hose, die Stiefel.
«Ja, das wollte ich sagen.»
«Weshalb sollte ich das tun? Ich hatte gerade vor, ins Dorf zu gehen und einen heißen Caffè zu trinken. Es wird kühl am Abend. Sie können mich ja begleiten.»
«Danke für die Einladung, Dottor Massimo. Aber das wird nicht möglich sein. Im Haus wartet jemand auf Sie.»
«Wie können Sie es wagen, in mein Haus einzudringen? Haben Sie einen Durchsuchungsbefehl? Wer wartet denn auf mich? Ich erwarte niemanden! Ich befinde mich in Klausur, weil ich über schwierige geschäftliche und politische Entscheidungen nachdenken muss. Ich komme gerade von einer langen Wanderung zurück, bei der ich ausgerutscht bin, falls Sie das interessiert. Dabei habe ich mir den Oberschenkel gezerrt. Also, wer wartet auf mich?»
Guerrini zuckte die Achseln und verzog leicht das Gesicht. Er räusperte sich noch einmal und antwortete leise: «Der Staatsanwalt wartet auf Sie. Es handelt sich um eine eher unangenehme Geschichte, und es wäre auf jeden Fall besser, Sie kämen mit, denn ich würde Sie nur ungern von den Kollegen festnehmen lassen …»
Paolo Massimo folgte mit seinen Augen der leichten Kopfbewegung des Commissario und stellte fest, dass der Weinberg des Bauern Rieti, der an seinen Park grenzte, einen Polizisten nach dem andern ausspuckte. Polizisten in Jeansjacken, mit halblangen Haaren, auffällig unauffällig. Massimo konnte sich die Pistolen vorstellen, die sie in Schulterhalftern trugen oder einfach im Bund ihrer Jeans. Abwartend standen sie da, jeder am Ende einer Reihe von Weinstöcken.
Wieder begannen Paolo Massimos Augen zu brennen, obwohl er keineswegs den Tränen nahe war. Jedenfalls meinte er, den Tränen keineswegs nahe zu sein. Was er jetzt empfand, war eine tiefe Beunruhigung. Irgendetwas musste sehr schiefgelaufen sein, und obwohl er leise Furcht empfand, war er doch ein klein wenig neugierig darauf, was sich hinter diesem eindrucksvollen Aufmarsch der Ordnungshüter verbergen mochte.
Seit Stunden warteten sie. Sergente Tommasini hatte bereits zum dritten Mal Caffè aus der schicken Maschine in der imposanten Küche im Rustikaldesign abgefüllt, und draußen war es stockdunkel. Angelo Guerrini war hungrig und müde, und er spürte schon seit dem Nachmittag diesen seltsam
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