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Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Titel: Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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heraus. Alles, alles, wenn es ihn nur von der grauenvollen Idee abbrachte, dass sie dem Alten Volk angehörte. Obwohl ihr gesunder Menschenverstand ihr sagte, dass er ja in der Lage sein müsste, sie zu erkennen, wenn er dazugehörte. Oh Jesus, Lamm Gottes … Das war es, was er versucht hatte, als er ihre Hände so fest gehalten und ihr ins Gesicht gestarrt hatte. Und jetzt hatte sie ihm erzählt …
    »Was für Stimmen?«, fragte er völlig verständnislos.
    »Die Stimmen in meinem Kopf«, entfuhr es ihr. »Sie sagen mir hin und wieder Dinge. Über andere Menschen, meine ich. Wisst Ihr«, fuhr sie fort, weil sie hoffte, ihn davon zu überzeugen, dass sie nicht das war, wofür auch immer er sie hielt. »Ich bin eine … eine …« Grundgütiger, was war nur das Wort ? »… jemand, der die Zukunft sieht«, schloss sie schwach. »Äh … nicht die ganze Zukunft. Nur manchmal. Nicht immer.«
    Der Graf rieb sich die Oberlippe; sie wusste nicht, ob er damit Zweifel ausdrückte oder sich das Lachen verkniff, doch ganz gleich, was es war, es machte sie wütend.
    »Eine von ihnen hat mir also aufgetragen, Euch das zu sagen, und ich hab’s getan!«, sagte sie und verfiel in ihre Muttersprache. »Ich weiß nicht, was es ist, das Ihr nicht tun sollt, aber ich rate Euch, es zu lassen!«
    Erst jetzt kam ihr der Gedanke, dass sie umzubringen vielleicht das war, was er nicht tun sollte, und sie nahm sich vor, ihm das zu sagen. Bis sie jedoch genug französische Grammatik entwirrt hatte, um es zu versuchen, verlangsamte die Kutsche ihr Tempo und bog schwankend und rumpelnd von der Hauptstraße ab. Ein süßlicher Gestank durchtränkte die Luft, und sie setzte sich kerzengerade hin, das Herz in der Kehle.
    »Maria, Josef und Bride«, sagte sie, und ihre Stimme war kaum mehr als ein Krächzen. »Wo sind wir?«
    MICHAEL SPRANG VON DER KUTSCHE, fast noch bevor sie zum Stehen kam. Er durfte den Abstand nicht zu groß werden lassen; sein Kutscher hätte bereits die Abzweigung fast verpasst, und die Kutsche des Grafen stand schon seit Minuten da, als sie sie erreichten.
    »Sprecht mit dem anderen Kutscher«, rief er dem Mann zu, der auf dem Kutschbock kaum zu sehen war. »Findet heraus, warum der Graf hier ist! Findet heraus, was er hier tut!«
    Nichts Gutes ! Dessen war er sich sicher. Obwohl er sich nicht vorstellen konnte, warum jemand eine Nonne entführen und im Dunkeln aus der Stadt schleifen sollte, nur um am Rand eines öffentlichen Friedhofs anzuhalten. Es sei denn … Vage Gerüchte über gewissenlose Männer, die ihre Opfer ermordeten und zerstückelten, ja, sie sogar aßen … Sein Magen revoltierte, und er hätte sich fast übergeben, doch es war nicht möglich, sich zu übergeben und gleichzeitig zu rennen, und er konnte einen hellen Fleck in der Dunkelheit sehen, von dem er dachte – hoffte, fürchtete – dass es Joan sein musste.
    Plötzlich erblühte die Nacht. Ein Wölkchen aus grünem Feuer schwebte in der Dunkelheit, und in dessen gespenstischem Leuchten sah er sie deutlich, sah ihr Haar, das im Wind wehte.
    Er öffnete den Mund, um nach ihr zu rufen, doch er bekam keine Luft, und bevor er wieder zu Atem kam, verschwand sie im Boden, gefolgt vom Grafen St. Germain, die Fackel in der Hand.
    Er erreichte den Minenschacht nur Sekunden später und sah unter sich ein schwaches grünes Leuchten, das gerade in einem weißen Kalktunnel verschwand. Ohne eine Sekunde zu zögern, stürzte er sich die Leiter hinunter.
    »HÖRT IHR ETWAS?«, fragte der Graf sie immer wieder, während sie durch die Tunnel mit den weißen Wänden stolperten. Dabei hielt er sie so fest am Arm gepackt, dass er mit Sicherheit blaue Flecken auf ihrer Haut zurücklassen würde.
    »Nein«, keuchte sie. »Was … sollte ich denn hören?«
    Er schüttelte nur unzufrieden den Kopf, jedoch eher so, als lauschte er selbst nach etwas, nicht, weil er verärgert war, dass sie es nicht hörte.
    Sie hegte immer noch die schwache Hoffnung, dass er seine Worte ernst gemeint hatte und sie zurückbringen würde. Er selbst hatte auf jeden Fall vor zurückzugehen; er hatte unterwegs mehrere Fackeln entzündet und sie brennend zurückgelassen. Er würde also nicht ganz und gar im Inneren des Hügels verschwinden und sie mit in den hell erleuchteten Ballsaal nehmen, wo die Menschen mit dem Feenvolk tanzten, ohne zu merken, dass ihre eigene Welt jenseits der Steine des Hügels verging.
    Der Graf blieb abrupt stehen, und seine Hand drückte ihren Arm noch

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