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Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Titel: Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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bewusst, und dann waren sie draußen im Küchengarten. Der Butler verlangsamte seine Schritte, um die Treppe hinunterzugehen, und Michael stürzte sich auf den Mann und warf ihn zu Boden.
    Sie wälzten sich zusammen auf dem Kiesweg, dann bekam Michael die Oberhand, packte den Mann am Hemd, schüttelte ihn und schrie: »WO IST ER?«
    Völlig außer sich bedeckte der Butler zitternd das Gesicht mit seinem Arm und zeigte blind auf eine Pforte in der Mauer.
    Michael sprang von dem Mann am Boden auf und rannte los. Er konnte die Räder einer Kutsche rumpeln hören, Hufgeklapper – und drückte die Pforte noch gerade rechtzeitig auf, um die Rückseite einer Kutsche zu sehen, die die Gasse entlangratterte, und einen gaffenden Bediensteten, der kurz beim Schließen des Remisentors innehielt. Er rannte los, doch es war klar, dass er die Kutsche zu Fuß niemals einholen würde.
    »JOAN!«, brüllte er dem entschwindenden Gefährt hinterher. »Ich komme!«
    Er verschwendete keine Zeit damit, den Dienstboten auszufragen, sondern rannte zurück, schob sich zwischen dem Personal hindurch, das sich um den am Boden hockenden Butler scharte, und platzte aus dem Haus, so dass sein eigener Kutscher aufs Neue aufschrak.
    »Dort entlang!«, rief er und zeigte auf die etwas entfernte Stelle, an der die Gasse auf die Rue St. André traf und wo gerade die Kutsche des Grafen zum Vorschein kam. »Dieser Kutsche nach! Vite! «
    »VITE!« , SPORNTE RAKOCZY seinen Kutscher an, dann sank er zurück und ließ die Klappe im Dach zufallen. Das Licht schwand bereits; seine Erledigungen hatten länger gedauert als erwartet, und er wollte aus der Stadt sein, bevor es Nacht wurde. Bei Nacht war es gefährlich auf den Straßen der Stadt.
    Seine Gefangene starrte ihn an; im Zwielicht wirkten ihre Augen enorm. Sie hatte ihren Postulantinnenschleier verloren, und das dunkle Haar lag lose auf ihren Schultern. Sie sah bezaubernd aus, aber zugleich sehr verängstigt. Er griff in die Tasche auf dem Boden und zog eine kleine Brandyflasche hervor.
    »Trinkt ein wenig hiervon, chérie .« Er zog den Korken heraus und reichte ihr die Flasche. Sie nahm sie zwar, schien sich aber nicht sicher zu sein, was sie damit tun sollte, und rümpfte die Nase über den scharfen Geruch.
    »Wirklich«, versicherte er ihr. »Es geht Euch besser davon.«
    »Das sagen sie alle«, sagte sie in ihrem langsamen, umständlichen Französisch.
    »Wer, alle?«, fragte er verblüfft.
    »Das Alte Volk. Ich weiß nicht, wie man sie auf Französisch nennt. Das Volk, das in den Hügeln lebt – souterrain ?«, fügte sie skeptisch hinzu. »Unterirdisch?«
    »Unterirdisch? Und sie geben Euch Brandy?« Er lächelte sie an, doch sein Herz tat plötzlich einen aufgeregten Ruck. Vielleicht ja doch . Er hatte schon an seinem Instinkt gezweifelt, als seine Berührung bei ihr kein Licht hervorgebracht hatte, doch irgendetwas hatte sie eindeutig an sich.
    »Sie geben einem zu essen und zu trinken«, sagte sie und steckte die Flasche in den Zwischenraum zwischen der Lehne und der Wand. »Aber wenn man davon isst oder trinkt, verliert man Zeit.«
    Wieder dieser erregte Ruck, stärker diesmal. Sie weiß es. Sie ist es.
    »Man verliert Zeit?«, wiederholte er ermunternd. »Wie meint Ihr das?«
    Sie rang um die richtigen Worte und zog vor Anstrengung die Stirn in Falten.
    »Man … die … Wer von ihnen verzaubert wird … der, die? … nein, der geht in den Hügel hinein, und dort erklingt Musik, und es wird gefeiert und getanzt. Doch wenn er am Morgen … zurückgeht, ist es zweihundert Jahre später als zu Beginn seines Festes mit den … mit dem Volk. Alle, die er kannte, sind zu Staub zerfallen.« Ihre Kehle bewegte sich, als sie schluckte, und ihre Augen glänzten ein wenig.
    »Wie interessant!«, sagte er. Das war es in der Tat. Außerdem fragte er sich mit einem erneuten Stoß der Erregung, ob die alten Gemälde weit hinten in den Eingeweiden der Kalkmine wohl auch von diesem Volk stammten, wer auch immer das war.
    Sie beobachtete ihn genau und suchte anscheinend nach etwas, das darauf hindeutete, dass auch er zum Feenvolk gehörte. Er lächelte sie an, obwohl ihm das Herz jetzt hörbar in den Ohren hämmerte. Zweihundert Jahre ! Denn das war der Zeitraum, von dem ihm Mélisande – verdammtes Weibsbild , dachte er kurz und empfand einen Stich bei dem Gedanken an Madeleine – gesagt hatte, er sei üblich, wenn man durch Stein reiste. Er lasse sich durch Edelsteine beeinflussen oder durch Blut,

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