Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane
jungen Frau.
»Sie ist Schottin«, sagte er. »Und Nonne, wie Ihr seht. Sie geht Euch nichts an.«
Der Frosch sah belustigt, kühl und vollkommen unbeeindruckt aus. Rakoczy schwitzte, und der Lärm prallte in Wellen gegen seine Haut. Er konnte den kleinen Beutel mit den Steinen in seiner Tasche spüren, ein festes Gewicht an seinem Herzen. Sie schienen warm zu sein, wärmer noch als seine Haut.
»Das glaube ich tatsächlich nicht«, sagte Raymond. »Doch warum geht sie Euch etwas an?«
»Auch das braucht Ihr nicht zu wissen.« Er versuchte zu überlegen. Er konnte die Steine nicht auslegen, nicht, solange der verdammte Frosch dort stand. Konnte er einfach mit dem Mädchen gehen? Doch wenn der Frosch ihm etwas Böses wollte … und wenn das Mädchen tatsächlich nicht seine …
Raymond ignorierte die unhöflichen Worte und verbeugte sich erneut vor dem Mädchen.
»Ich bin Meister Raymond, meine Liebe«, sagte er. »Und Ihr?«
»Joan Mac…«, sagte sie. »Äh … Schwester Gregory, meine ich.« Sie versuchte, sich Rakoczys Umklammerung zu entziehen. »Äh. Wenn denn keiner der beiden Herren ein Interesse mehr an mir hat …«
»Ich habe ein Interesse an ihr, meine Herren.« Seine Stimme war schrill vor Nervosität, aber fest. Rakoczy sah sich um, und sein schockierter Blick fiel auf den jungen Weinhändler, der jetzt in die Kammer trat, mitgenommen und verdreckt, doch die Augen fest auf das Mädchen gerichtet. Die Nonne an seiner Seite keuchte auf.
»Schwester.« Der Kaufmann verbeugte sich. Sein Gesicht war kreidebleich, doch er schwitzte nicht. Er sah aus, als sei ihm die Kälte der Kammer in die Knochen gekrochen, aber er streckte seine Hand aus, an der die Perlen eines hölzernen Rosenkranzes hingen. »Du hast deinen Rosenkranz fallen lassen.«
JOAN HATTE DAS GEFÜHL, sie könnte vor lauter Erleichterung ohnmächtig werden. Vor Angst und Erschöpfung bebten ihr die Knie, doch sie brachte die Kraft auf, sich der Hand des Grafen zu entreißen und Michael stolpernd in die Arme zu laufen. Er fing sie auf und zog sie von St. Germain fort.
Der Graf stieß einen wütenden Laut aus und trat einen Schritt in ihre Richtung, doch Michael sagte: »Bleib, wo du bist, du Verbrecher!«, just als der kleine Mann mit dem Froschgesicht scharf »Halt!« befahl.
Der Graf fuhr erst zum einen, dann zum anderen herum. Er sah … außer sich aus. Joan schluckte und stieß Michael an, um ihn zur Tür der Kammer zu drängen. Erst jetzt sah sie das Taschenmesser in seiner Hand.
»Was hattest du denn damit vor?«, flüsterte sie halb hysterisch. »Ihn zu rasieren?«
»Die Luft aus ihm hinauszulassen«, brummte Michael. Er ließ die Hand sinken, steckte das Messer jedoch nicht ein und ließ die beiden Männer nicht aus den Augen.
»Eure Tochter«, sagte der Graf heiser zu dem Mann, der sich Meister Raymond genannt hatte. »Ihr wart auf der Suche nach Eurer verlorenen Tochter. Ich habe sie für Euch gefunden.«
Raymonds Augenbrauen fuhren in die Höhe, und sein Blick richtete sich auf Joan.
»Meine Tochter?«, sagte er erstaunt. »Sie ist keine der Meinen. Könnt Ihr das nicht sehen?«
Der Graf holte so tief Luft, dass es in seiner Kehle ächzte.
»Sehen? Aber …«
Der Frosch zog eine ungeduldige Miene.
»Könnt Ihr etwa keine Auras sehen? Das elektrische Fluidum, das manche Menschen umgibt«, erläuterte er und fuhr sich mit der Hand um den Kopf. Der Graf rieb sich heftig das Gesicht.
»Ich kann nichts … Sie hat keine …«
»Zum Kuckuck, nun kommt schon her!« Raymond trat an den Rand des Sterns, streckte den Arm aus und nahm den Grafen bei der Hand.
RAKOCZY ERSTARRTE bei der Berührung. Blaues Licht explodierte aus ihren verbundenen Händen, und er keuchte auf, denn er wurde von Energie durchströmt, wie er es noch nie zuvor erlebt hatte. Sie lief ihm durch die Adern wie Wasser, wie ein Blitz! Raymond zog, und er überschritt die Linie und betrat das Pentagramm.
Stille. Das Summen war verstummt. Er weinte beinahe, solche Erlösung empfand er.
»Ich … Ihr …«, stammelte er und richtete den Blick auf die sich berührenden Hände, wo das blaue Licht jetzt sanft pulsierte, im Rhythmus eines schlagenden Herzens. Verbindung . Er spürte den anderen. Spürte ihn in seinem Blut, in seinen Knochen, und beglücktes Erstaunen erfüllte ihn. Einer wie er. Bei Gott, einer wie er!
»Ihr wusstet es nicht?« Raymond schien überrascht.
»Dass Ihr ein …« Er wies mit einer Geste auf das Pentagramm. »Ich hatte es
Weitere Kostenlose Bücher