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Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Titel: Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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worden waren, wurden vom Wind erfasst und flogen davon. Er schloss die Kanzel wieder, diesmal geduckt, und wartete auf das Startsignal.
    Der Signalgeber winkte ihm zu, und er gab Gas und spürte, wie das Flugzeug sich zu bewegen begann.
    Er fasste sich automatisch an die Tasche und flüsterte: »Hab dich lieb, Dolly.« Jeder hatte sein kleines Ritual für diese letzten paar Momente vor dem Abheben. Für Jerry MacKenzie waren es das Gesicht seiner Frau und sein Glücksstein, die das Kribbeln in seinem Bauch normalerweise zur Ruhe brachten. Sie hatte den Stein auf einem Felsenhügel auf der Insel Lewis gefunden, wo sie ihre kurzen Flitterwochen verbracht hatten – ein roher Saphir, sagte sie, sehr selten.
    »So wie du«, hatte er gesagt und sie geküsst.
    Eigentlich gab es jetzt keinen Grund für das Kribbeln, doch es war schließlich kein Ritual, wenn man es nur manchmal machte, oder? Und selbst wenn ihm heute kein Luftkampf bevorstand, würde er doch seine ganze Konzentration brauchen.
    Er stieg in langsamen Kreisen auf, um ein Gefühl für das neue Flugzeug zu bekommen, den Duft der neuen Maschine aufzunehmen. Er wünschte, sie hätten ihn Dolly II fliegen lassen, deren Sitz seine Schweißflecken trug, deren Armaturenbrett die vertraute Beule hatte, weil er nach einem Abschuss jubelnd mit der Faust daraufgeschlagen hatte – doch sie hatten dieses Flugzeug bereits mit den Flügelkameras modifiziert und mit dem neuesten Nachtsichtgerät ausgestattet. Es war sowieso nicht gut, sein Herz an ein Flugzeug zu hängen; die Maschinen waren fast genauso zerbrechlich wie die Männer, die sie flogen – obwohl man die Einzelteile der Flugzeuge wiederverwerten konnte.
    Egal; er hatte sich gestern Abend in den Hangar geschlichen und ihr schnell ein Püppchen auf die Nase gemalt, um sie für sich in Besitz zu nehmen. Bis es nach Polen ging, würde er Dolly III schon noch kennenlernen.
    Er schoss in die Tiefe, zog das Flugzeug scharf in die Höhe und flog eine Weile in Holländischen Rollen durch die Wolkendecke, um dann einige komplette Rollen und Immelmanns zu drehen. Währenddessen zitierte er Malans Regeln, um sich zu konzentrieren und zu verhindern, dass ihm schlecht wurde.
    Die Regeln hingen inzwischen in jeder RAF-Kaserne; die Flieger nannten sie die Zehn Gebote – und das nicht im Scherz.
    ZEHN MEINER REGELN FÜR DEN LUFTKAMPF, sagte das Plakat in fetten schwarzen Buchstaben.
    »›Warte, bis du das Weiße in seinen Augen siehst‹«, betete er leise vor sich hin. »›Feuere kurze Salven von einer oder zwei Sekunden, aber erst dann, wenn du ihn MITTEN im Visier hast.‹« Er blickte auf sein Visier und erlebte einen kurzen Moment der Orientierungslosigkeit. Der Kameramensch hatte es an einer anderen Stelle eingebaut. Mist.
    »›Denk beim Schießen an nichts anderes, konzentrier dich mit dem ganzen Körper; beide Hände am Knüppel, beide Augen auf dem Visier.‹« Wieder nichts. Die Auslöseknöpfe der Kamera befanden sich nicht auf dem Steuerknüppel; sie waren auf einer Buchse montiert, von der ein Draht zum Fenster hinauslief; die Buchse selbst war an seinem Knie festgeschnallt. Er würde sowieso aus dem Fenster schauen, nicht auf das Visier – es sei denn, die Sache ging schief, und er musste die Gewehre benutzen. In diesem Fall wiederum …
    »›Sei stets auf der Hut. Halte die Fühler ausgestreckt.‹« Aye, schön. Das stimmte noch.
    »›Höhe bedeutet Angriffsvorteil.‹« Nicht in diesem Fall. Er würde niedrig fliegen, unter dem Radar, und nicht auf einen Kampf aus sein. Aber es war immer möglich, dass ihm einer auf die Schliche kam. Wenn ihn ein deutsches Flugzeug beim Soloflug in Polen aufspürte, flog er am besten geradewegs auf die Sonne zu und stürzte sich von dort auf den Gegner. Bei diesem Gedanken musste er lächeln.
    »›Wende dich immer dem Angriff entgegen.‹« Er prustete und bewegte sein verletztes Knie, das in der Kälte schmerzte. Aye, wenn man ihn rechtzeitig kommen sah.
    »›Fälle deine Entscheidungen prompt. Es ist besser, schnell zu handeln, auch wenn die Taktik darunter leidet.‹« Das hatte er schnell gelernt. Sein Körper bewegte sich oft schon, bevor sein Gehirn überhaupt registriert hatte, dass er etwas gesehen hatte. Im Moment gab es nichts zu sehen – nicht dass er damit rechnete, doch er sah sich trotzdem reflexartig weiter um.
    »›Fliege im Kampf niemals länger als dreißig Sekunden geradeaus und auf einer Höhe.‹« Das galt definitiv nicht. Geradeaus und auf einer

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