Zeit der Wut
Telefonzentralen aufbewahren mussten, waren kontrolliert worden, aber ohne Ergebnis. Fünf der neun Personen, die noch übrig blieben, waren illegale Einwanderer. Man konnte zwar die Telefonkarten zurückverfolgen, aber ihre augenblicklichen Inhaber waren nicht aufzufinden. Blieben vier Adressen übrig. Beim zweiten Versuch hatte Daria ins Schwarze getroffen. Die Frau wohnte ihn Cerveteri. Eine von ihrem Mann getrennt lebende, erschöpfte Vierzigjährige, die einen Aufschrei des Unbehagens von sich gegeben hatte, als sie Daria und ihren Ausweis sah.
– Ich wusste, dass es so enden würde!
Schuld an dem Ganzen war der Vater, der davongelaufen war, der Verbrecher. Er hatte darauf bestanden, dem Jungen ein Videotelefon der letzten Generation zu schenken. So würde auch der Sohn ein Freak werden wie der Vater. Und mit vierzig, nach fünfzehn Jahren Ehe, mit der erstbesten brasilianischen Hure davonlaufen … Der fragliche Junge hatte zugegeben, ein Video gedreht zu haben, „auf dem man sah, wie geschossen wurde, und wo es Tote gab“. Als die Mutter davon erfahren hatte, hatte sie ihm befohlen, es zu löschen, um keine Probleme zu bekommen.
– Aber sie hat die Widerspenstigkeit der jungen Generation unterschätzt. Der Junge hat ihr nicht gehorcht. Er hat sogar versucht, Verbindung mit TV-Sendern aufzunehmen, aber dort hat ihm niemand Gehör geschenkt. Zum Glück sind wir rechtzeitig gekommen. Ich habe dir ja gesagt: ein Wunder.
Lupo seufzte.
– Gut, gut Daria. Aber Wunder gibt es nicht. Ich würde lieber sagen: ein glücklicher Zufall infolge deiner Hartnäckigkeit und meiner Weitsicht. Hatte ich dir nicht gesagt: „Ich fotografiere, darum bin ich?“
Daria verspürte den unbändigen Wunsch, dieses halbarrogante Grinsen zu beenden. Das Grinsen eines Mannes, der weiß, dass er recht hat, noch bevor die anderen ihm recht geben. „Wir stammen von Göttern ab“, sagte Lupo gern – ein Zitat seines Landsmanns Tomasi di Lampedusa …
– Ich bin weit davon entfernt, deine Begeisterung bremsen zu wollen, aber ich habe einen Blick auf das Material geworfen … man sieht darauf rein gar nichts.
– Dann werden es unsere Techniker wohl ein wenig bearbeiten müssen … gut, wir schauen es uns an, sobald es fertig ist.
Manchmal, dachte Daria, sind Götter der beste Grund für Atheismus.
3.
Die Baracke befand sich in einer Querstraße der Via della Pisana. Im fahlen Licht des Morgengrauens war sie deutlich zu sehen, hinter dem mit Abfall übersäten Hügel.
Sie lagen im Graben neben der Straße, im hohen Gras. Sie trugen kugelsichere Westen und hielten die Maschinenpistolen im Anschlag.
Als der erste Sonnenstrahl hinter der dunklen Silhouette des Hügels auftauchte, berührte Mastino den Boden und bekreuzigte sich wie ein Fußballspieler. Dann hob er den Arm und gab das Signal.
Marco verließ als Erster die Deckung. Er lief zur Tür der Baracke, gefolgt von den anderen. Corvo, der über dem schwarzen Overall eine Weste mit der Aufschrift „Polizei“ trug, befestigte eine kleine Sprengladung an der Tür. Die Tür wurde aus den Angeln gehoben. Sie stürmten ins Innere. In der Baracke war es dunkel und still. Mastino machte die Taschenlampe an, deren Licht auf Tischlerwerkzeug fiel. Das sah aus wie große schlafende Tiere.
– Da ist niemand, sagte Marco und ließ die Waffe sinken.
– Irgendwer muss sie gewarnt haben, stellte Perro fest und zeigte auf einen ungehobelten Holztisch, auf dem ein Teller mit Sugo-resten, ein Glas mit einem Bodensatz Wein und ein Fernseher standen.
– Tja, sagte Corvo, sie wussten, dass wir ein Auge auf sie haben.
– Und die, die uns einen Tipp gegeben haben, haben auch ihnen einen Gefallen erwiesen.
– War es also ein Schlag ins Wasser?, fragte Marco.
Mastino stimmte ein herzliches Gelächter an.
– Die Handlanger sind uns ja herzlich egal. Wenn die Information richtig war, sind wir diesmal einer großen Lieferung auf der Spur …
– Lieferung?, echote Marco verblüfft.
Noch bevor Mastino antworten konnte, hörten sie Perro aus dem hintersten Raum der Baracke rufen. Marco sah, wir er aus dem Schatten auftauchte, mit einem versiegelten Paket in der Hand. Mastino zog ein Klappmesser, ließ es aufspringen, schnitt das Paket auf. Rosa Kristalle schimmerten im Licht der Taschenlampe.
– Ich würde sagen Bolivianische Rose.
– Dort hinten sind noch hundert, vielleicht hundertfünfzig andere …
Perro zeigte auf den Zwischenraum unter zwei Fußbodendielen, die sie
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