Zeit des Lavendels (German Edition)
hatte er einen nützlichen Idioten gefunden. Wenn er sich klug verhielt, würde dieser ihm vielleicht bald folgen wie ein Hund. In solchen Zeiten konnte ein Mann, der weiterkommen wollte, nicht genügend Hunde um sich haben, die er im Zweifelsfall von der Leine lassen konnte. Er würde diesen Gonzo im Auge behalten. Beim heiligen Petrus, das würde er. Kichernd sah er Konz Jehle nach, der wie befohlen zum Aufseher ging, um sich seine Arbeit zuteilen zu lassen. Der Hüne hob die schweren Steinquader auf, als wären es Gemüsekisten, im Gesicht einen dumpfen, leeren Ausdruck. Wieder nickte Andrea Catani zufrieden.
21
A gatha Hegenzer von Wasserstelz begrüßte die Gäste in der vollen Pracht ihres fürstlichen Standes vor dem Tor der Residenz. An ihrer Seite stand Großmeier Hans Jakob von Schönau, in den Augen der Kirche noch immer der Verwalter des Stiftes Seggingen. Denn noch regierte die Hegenzerin diese reichen Ländereien nicht mit dem Segen des kirchlichen Dispenses. Zunächst erfuhr niemand außerhalb der Stiftsmauern, warum die hohen Herren gekommen waren. Doch die Stadt summte von Gerüchten. Am selben Abend noch jagte ein berittener Bote gen Ensisheim. Die Spannung erreichte ihren Höhepunkt, als eine Woche später Melchior Hegenzer, Präsident der kaiserlichen Regierung und Bruder der Äbtissin, mit seiner Eskorte über die Steinbrücke galoppierte. Die Fahnen mit dem Wappen derer von Wasserstelz flatterten stolz im Frühsommerwind.
Es gab allen Grund für diesen Stolz. Denn endlich, nach so vielen Jahren des Kampfes, war die Familie ans Ziel ihrer Wünsche gelangt. Endlich hatten die sieben mageren Jahre für Seggingen ein Ende. Das Stift hatte wieder eine offizielle Äbtissin.
Murgel und Metzler brachten den Dispens des Papstes aus Rom mit.
Es war eine eher einfache Feier, mit der die neue Äbtissin diesmal gestühlt wurde. Die etwas prekäre Situation machte es notwendig. Der diplomatische Konstanzer Bischof hatte sich mit seiner Argumentation am Ende durchgesetzt. Schließlich sei Agatha Hegenzer ohne den Dispens nach Seggingen gekommen, erklärte Christoph Metzler. Man solle diese Situation nicht mit zu viel Pomp noch offensichtlicher machen. Am Ende komme die ganze unglückliche Entwicklung dann auch dem Papst in Rom zu Ohren. Niemand könne wissen, wie Julius darauf reagiere.
So waren an diesem Tag nur wenige der Edlen des Reiches und der Kirche im Münster vertreten. Dafür drängten sich die Gotteshausleute des Stiftes umso enger im hohen Kirchenraum, die meisten mit glücklichen Gesichtern. Denn endlich war das Gespenst der Auflösung des Stiftes gebannt, endlich hatten sie wieder eine mit dem Segen des Papstes versehene Lehensherrin.
Magdalena von Hausen hatte sich nach der Stühlung in ihr kleines Haus im Alten Hof zurückgezogen. Sie brauchte einige Minuten der Besinnung. Da klopfte es an die Türe. Sie runzelte ärgerlich die Stirn.
»Was ist?«
Es war die Stimme ihrer Dienerin: »Herrin, Herr Melchior Hegenzer von Wasserstelz wünscht Euch zu sprechen und bittet darum, hereinkommen zu dürfen.«
Magdalena von Hausen atmete tief durch. Sie hatte damit gerechnet, dass der kaiserliche Rat und Bruder der neuen Äbtissin das Gespräch suchen würde. Nun, da die Situation des Stiftes geklärt war, wurde auch ihre Lage wieder zum Thema. Sie hätte aber lieber mehr Zeit zum Nachdenken gehabt. Doch ihr blieb wohl keine andere Wahl.
»Bitte ihn herein.«
Der kaiserliche Rat verbeugte sich galant vor der ehemaligen Äbtissin und musterte sie diskret. Bei seinem ersten Besuch in Seggingen hatte er sie nur kurz getroffen, damals, als es um die Hexe Katharina ging. Doch sie hatte keinen besonders nachhaltigen Eindruck auf ihn gemacht.
Magdalena von Hausen erwiderte die Geste mit einem ebenso höflichen Nicken. »Seid willkommen in meiner bescheidenen Kammer. Wollt Ihr etwas gewürzten Wein?«
Melchior von Hegenzer nickte zustimmend. Diese Magdalena von Hausen schien doch keine so graue, brave Maus zu sein. Er musste seinen ersten Eindruck korrigieren. Sie zeigte Haltung. Er hatte eine völlig zerstörte, gebrochene Frau erwartet. Gefunden hatte er nun einen Menschen mit der ganz eigenen Würde jener, die nichts mehr zu verlieren haben. Einige Sekunden lang musterten sich der Mann und die Frau schweigend.
»Wollt Ihr Euch nicht setzen?« Mit einer graziösen Handbewegung wies Magdalena auf den Lehnstuhl neben dem Kamin. Wieder verbeugte sich der kaiserliche Rat elegant. Dann setzte sie sich
Weitere Kostenlose Bücher