Zeit des Lavendels (German Edition)
Schwappen der Tiberwellen gegen das Ufer begleitete ihn auf seinem Weg nach Norden. Es war eine gefährliche Gegend. Schon mancher hatte hier unfreiwillig mit dem Strom Bekanntschaft gemacht und war am nächsten Morgen tot angeschwemmt worden. Es brauchte feine Ohren, um neben dem Geräusch des Wassers auch das leiseste Schlurfen der Schritte möglicher Verfolger wahrzunehmen. In dieser Nacht war es ruhig. Nur von ferne drang aus den Fenstern mancher Häuser noch Gelächter. Er setzte sich auf einen Stein unter der Brücke und wartete, ließ seine Gedanken mit dem sanften Fließen des Wassers schweifen.
»Buona sera, Gonzo, bist du müde heute Abend? Du bist unaufmerksam, Freund. Das ist schlecht, wenn du am Leben bleiben willst.« Konz schreckte hoch. Wie ein dunkler Schatten war der Mann im schwarzen Umhang neben ihn geglitten. Er hieß Antonio Fernaci und war einer der Schreiber, die die Fugger in ihrer römischen Niederlassung beschäftigten, einer jener Männer, die das weltweit bekannte, geheime Nachrichtennetz dieses Handelshauses belieferten. Antonio hatte überall in den Dienstbotenquartieren seine Fäden gespannt, kannte überall jemanden, der ihm verpflichtet war. Und »Gonzo« hatte ihm das Leben gerettet. In einer Nacht vor vielen Wochen, als der Mann, der zu viel wusste, beinahe wie andere vor ihm Futter für die Fische des Tiber geworden wäre. Er hatte beobachtet, wie drei Schatten einem einzelnen Schatten durch die dunklen Gassen nachschlichen. Konz' Messer hatte Antonio in einem stillen, verbissenen Kampf gerettet. Konz wusste bis heute nicht, ob er die Männer getötet hatte, die am Ende leblos auf der Piazza lagen. Die Körper waren am nächsten Morgen verschwunden. Doch er hatte einen wertvollen Freund gewonnen, einen, der viel erfuhr. Und wenn es irgendwo einen Mann gab, der Thomas Leimer hieß und deutsch sprach, dann würde es das Handelshaus der Fugger erfahren, davon war er überzeugt.
»Ich habe Nachrichten für dich, mein Freund«, wisperte der Schatten. Antonio hatte die Kapuze seines weiten Umhanges tief über das Gesicht gezogen. Er legte keinen Wert darauf, in der Gesellschaft dieses Tedesco erkannt zu werden. Rom hatte tausend Augen, auch nachts. »Du musst zum Palazzo Venezia gehen. Dort residiert Kardinal Carafa. Er ist ein mächtiger, ehrgeiziger Mann. Vielleicht wird er sogar der nächste Papst. Und bei ihm findet du einen Bruder Benediktus aus Germania als Sekretär. Keiner weiß, woher dieser Mann kommt. Doch Freunde von mir waren dabei, als Carafa über den Dispens für eine Dame namens Agatha Hegenzer sprach. Es geht wohl darum, dass sie ihr Kloster verlassen darf, um in ein anderes am Rhein zu gehen. Meine Freunde haben genau gesehen, wie dieser Benediktus zusammenzuckte, als er von dem Dispens hörte. Mir wurde erzählt, Carafa habe das auch bemerkt. Doch dieser Bruder Benediktus schwor, er habe noch nie etwas von dieser Agatha und dem Kloster gehört, in das sie gehen sollte. Dabei hatte er Zeige- und Mittelfinger hinter dem Rücken gekreuzt. Gonzo, was meinst du? Sagt dir das etwas?«
Konz schüttelte den Kopf. »Kann sein, kann aber auch nicht sein.«
Antonio nickte. »Es muss nicht sein, dass dieser Mönch der Mann ist, nach dem du suchst. Aber du solltest ihn dir anschauen, amico mio. Was hast du schon zu verlieren. Es kann nicht mehr geschehen, als dass du ein weiteres Mal vergeblich gehofft hast. Doch wenn er es ist, den du suchst, dann sind wir quitt, dann habe ich meine Schuld bei dir abgetragen.
Hier ist ein Papier mit derAdresse. Lern sie auswendig und verbrenn es dann.«
»Danke, Freund.« Konz war noch immer kein Mann, der viele Worte machte. In stummem Einvernehmen schüttelten sich die beiden die Hand, der Mann im Umhang verschwand.
Konz hätte vor Anspannung schreien können. Das war die erste zumindest einigermaßen brauchbare Spur von Thomas Leimer, die er in all den Jahren in Rom zu fassen bekommen hatte. Noch hatte er ihn nicht. Aber wenn er es war, würde er ihn bekommen! Konz zuckte zusammen, als er plötzlich das Knirschen seiner eigenen Zähne hörte. Wenn er es war, dann hatte Leimer es wieder einmal geschafft, ein Loch zu finden, in dem er unterkriechen konnte; der Hund, der die Hand der Kirche erst leckte und dann biss. Und wenn er es nicht war? Egal, in welchem Loch Leimer sich auch versteckte, er würde ihn bekommen, das schwor er sich in dieser Nacht. Nicht zum ersten Mal.
Giovanna bemerkte die Veränderung an Konz sofort, als er im
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